Sie wird unterschätzt, ist aber gerade in unserer Gesellschaft, die von Vereinzelung geprägt ist, ein großes Thema: Die Einsamkeit und ihre gravierenden Folgen für die Gesundheit. Einsamkeit ist nicht nur ein soziales oder psychologisches Problem ist, sondern eine ernsthafte gesundheitliche Bedrohung. Sie steht mit schwerwiegenden Erkrankungen wie Depressionen, Demenz, Herz-Kreislauf-Leiden und Krebs in Verbindung und gilt als eine der häufigsten Todesursachen.
Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass soziale Isolation das Risiko für diverse physische und psychische Erkrankungen erheblich erhöht. Insbesondere ältere Menschen sind aufgrund von altersbedingten Veränderungen anfällig für Vereinsamung und ihren Folgen.
Einsamkeit: Risikofaktor wie Rauchen und Bewegungsmangel
Einsamkeit ist keineswegs nur ein subjektives Gefühl der Isolation, sondern hat tiefgreifende physiologische und neurologische Folgen. Kinder gehen ohne sozialen Kontakt zu Grunde, wie Experimente etwa aus den 1940er-Jahren zeigen. Gibt es keine verlässliche Bezugsperson, nahmen die Kinder ab und zogen sich von der Umwelt zurück.
Experten wie der deutsche Neurowissenschaftler und Psychiater Manfred Spitzer gehen davon aus, dass Einsamkeit die Lebenserwartung ähnlich drastisch verkürzen kann wie die Risikofaktoren Rauchen oder Bewegungsmangel. Menschen, die über einen längeren Zeitraum hinweg einsam sind, weisen eine höhere Stressbelastung auf, die wiederum zu Entzündungsprozessen im Körper führen kann. Diese wiederum begünstigen das Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die eine der häufigsten Todesursachen in westlichen Gesellschaften darstellen.
Durch den Mangel an sozialen Interaktionen werden bestimmte Gehirnregionen weniger stimuliert, was langfristig auch die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigen kann. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Einsamkeit die Wahrscheinlichkeit für Demenz und Alzheimer signifikant erhöht. Zudem wirkt sich soziale Isolation negativ auf das Immunsystem aus und erhöht das Risiko für chronische Krankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes.
Einsamkeit im Alter: Ein wachsendes Problem
Insbesondere ältere Menschen sind besonders häufig von sozialer Isolation betroffen. Die Gründe liegen im Verlust von Lebenspartnern und Freunden, in einer eingeschränkten Mobilität, in altersbedingten Erkrankungen. Auch der Ruhestand, der Rückzug aus dem Beruf, ist für den Rückgang der sozialen Netzwerke mitverantwortlich. Während soziale Kontakte für junge Menschen oft selbstverständlich sind, werden sie im Alter zunehmend zur Herausforderung. Fehlende soziale Interaktion bedeuten oft eine Abwärtsspirale: Ohne regelmäßige Kontakte fehlt die Motivation, aus dem Haus zu gehen oder sich körperlich zu betätigen – was wiederum die Gesundheit weiter verschlechtert.

Einsamkeit ist vermeidbar
Einsamkeit muss nicht sein – es gibt Möglichkeiten, sie zu bekämpfen. Nehmen Sie Hilfe an, oder bieten Sie Betroffenen Ihre Hilfe an.
👣 1. Kleine Schritte zählen
Schon ein kurzer Plausch beim Einkaufen oder ein Spaziergang in der Nachbarschaft kann der Anfang sein. Nähe beginnt oft mit einem Lächeln.
📱 2. Digital verbunden bleiben
Mit Tablet, Smartphone & Co lässt sich Kontakt zu Familie und Freunden leichter halten – auch über Entfernungen hinweg. Es gibt viele einfache Lernangebote für Einsteiger:innen. Eventuell helfen Ihnen Nachbarn und Familienangehörige beim Einstellen dieser technischen Geräte.
🧑🤝🧑 3. Gemeinsam statt allein wohnen
Neue Wohnformen wie Mehrgenerationenhäuser, Senioren-WGs oder betreutes Wohnen fördern die Begegnung im Alltag.
☕ 4. Aktivitäten mit anderen teilen
Treffen im Nachbarschaftscafé, im Pensionistenclub, Singkreis, Sportgruppe oder Ehrenamt: Wer Interessen teilt, findet oft schnell Anschluss.
🚗 5. Sich holen lassen, wenn nötig
Mobilität ist oft ein Schlüssel zur Teilhabe. Viele Gemeinden bieten Fahrdienste oder digitale Mitfahrbörsen an – fragen Sie einfach einmal nach, ob in Ihrer Gemeinde diese Dienste angeboten werden!
💬 6. Hilfe annehmen – und anbieten
Manchmal hilft es, mit anderen über Einsamkeit zu sprechen. Beratungsstellen, Besuchsdienste oder auch digitale Plattformen können wertvolle Kontakte vermitteln.
Nachlesen: „Einsamkeit – Die unerkannte Krankheit“
„Einsamkeit – Die unerkannte Krankheit“ vom deutschen Neurowissenschaftler und Psychiater Manfred Spitzer beleuchtet das gesellschaftlich relevante Thema wissenschaftlich fundiert. Wir leben in einer alternden Gesellschaft, die dadurch auf Herausforderungen zusteuert,
Spitzer gelingt es, komplexe neurologische und gesundheitliche Zusammenhänge verständlich darzustellen und mit lebensnahen Beispielen zu veranschaulichen. Besonders für Leserinnen und Leser, die sich mit den Herausforderungen des Alterns beschäftigen – sei es beruflich oder privat – ist dieses Buch eine wertvolle Lektüre.
Die klare Botschaft des Buches lautet: Einsamkeit ist nicht nur ein individuelles Problem, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, der mit präventiven Maßnahmen und gezielter Unterstützung begegnet werden muss. Wer sich mit dem Thema soziale Isolation und ihre Auswirkungen auseinandersetzen möchte, findet in Spitzers Werk eine informative und aufrüttelnde Analyse, die zum Nachdenken und Handeln anregt.

Author: Anja Herberth
Chefredakteurin