Die Versorgung älterer Menschen in ländlichen Regionen steht vor enormen Herausforderungen. Der demografische Wandel, wirtschaftliche Rückgänge und die zunehmende Landflucht machen es für Gemeinden immer schwieriger, eine funktionierende Pflege- und Unterstützungsstruktur aufrechtzuerhalten.
Gleichzeitig bieten Digitalisierung und technologische Entwicklungen neue Chancen, Versorgungslücken zu schließen und die Lebensqualität älterer Menschen auf dem Land nachhaltig zu sichern.
Falls sich ihre Gemeinde dazu entschließt, verstärkt auf Digitalisierung zu setzen, dann ist dieser Artikel genau der Richtige für Sie. Denn auch wenn es viel Widerstand gegen Technologie geben möge: Die Alternative ist im schlimmsten Fall womöglich keine oder eine nicht ausreichende Pflege und Unterstützung.
Die Realität in ländlichen Gemeinden
In vielen Regionen Österreichs – und weit darüber hinaus – zeigt sich ein besorgniserregendes Bild: Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) verschwinden zunehmend, weil Nachfolgerinnen und Nachfolger fehlen. Junge Menschen wandern in Städte ab, wo sie bessere Job- und Ausbildungschancen sehen. Gleichzeitig steigt die Zahl älterer Menschen, die auf Hilfe im Alltag angewiesen sind – sei es aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen, sozialer Isolation oder fehlender Mobilität.
Krankentransporte, mobile Pflege und soziale Dienste werden aufgrund von Personalmangel und räumlicher Distanz immer schwerer organisierbar. Gemeinden sind finanziell unter Druck und oft nicht mehr in der Lage, grundlegende Leistungen zu gewährleisten.

Neue Lösungen für alte Probleme: Technologie als Enabler
Trotz dieser Ausgangslage gibt es bereits heute eine Vielzahl an Lösungen, die – klug kombiniert – eine Verbesserung der Pflegesituation im ländlichen Raum ermöglichen können.
Hier Beispiele, wie eine moderne, digital unterstützte Infrastruktur in ländlichen Gebieten aussehen könnte:
Smart organisierte Helfernetzwerke
Es braucht mittlerweile nicht nur ein Dorf, um ein Kind großzuziehen. Angesichts der Pflegekrise, in die wir gerade hineinlaufen, braucht es auch hier die Unterstützung aus der Gesellschaft. Der Zusammenhalt und die Hilfe aus der Nachbarschaft wird auch hier ein immer essentiellerer Teil.
Diese Koordination findet in Gemeinden häufig noch mit Excel-Listen statt. Die viel smartere Variante wäre: Es die Betroffenen selbst organisieren lassen. Anwendungen und Apps wie Flexhero oder Hub4Help ermöglichen es, Freiwillige und Hilfesuchende digital miteinander zu vernetzen. So lassen sich Aufgaben wie Einkäufe, Arztbegleitungen oder kleinere Alltagshilfen effizient koordinieren – ohne großen organisatorischen Aufwand für die Gemeinde.
Einige der Apps funktionieren bereits wie Uber: Angebot und Nachfrage managen sich selbst, auch die Abrechnung der Dienstleistungen ist bei einigen Lösungen bereits integriert. Das entlastet die Gemeinden und verbessert die Unterstützung im Alltag der Betroffenen.
Apps, Telemedizin und digitale Gesundheitsdienste
Videosprechstunden und digitales Monitoring ermöglichen ärztliche Beratung auch ohne lange Wege. Dies entlastet nicht nur ÄrztInnen und Pflegekräfte, sondern reduziert auch den Bedarf an Krankentransporten – ein besonders kritischer Punkt in entlegenen Regionen. Und angesichts der langen Wartezeiten auf Arzttermine kommt die Hilfe auf diese Weise eventuell sogar schneller zu den Betroffenen.
Diese Form der Betreuung ist in anderen Regionen der Welt bereits lange im Einsatz: Anbieter wie das kanadische Unternehmen Cloud DX bieten medizinisches E-Healthcare und Monitoring für z.B. neurologische und Herzerkrankungen, Diabetes, Herzerkrankungen etc. Das ist in einsamen, wenig bewohnten Gebieten wie in Kanada oder Australien auch nicht anders möglich – wenn das nächste Krankenhaus mehrere hunderte Kilometer entfernt liegt.
Pflege-Apps wiederum sind digitale Helfer, die Pflegebedürftige, Angehörige und Pflegekräfte im Alltag unterstützen. Sie bieten Funktionen wie Medikamentenerinnerungen, Pflegeplanungen, Dokumentation, Terminverwaltung oder auch Möglichkeiten zur Kommunikation mit ÄrztInnen und Pflegediensten. Ein Beispiel aus Österreich ist die HerzensApp, die speziell für pflegende Angehörige entwickelt wurde. Sie erleichtert die Koordination im Pflegealltag, ermöglicht den Austausch innerhalb der Familie oder mit professionellen Pflegekräften und hilft dabei, Pflegebedürfnisse strukturiert und verlässlich zu organisieren. Solche Apps tragen dazu bei, die Pflege transparenter, effizienter und weniger belastend zu gestalten – insbesondere in einem Umfeld, in dem Betreuung oft dezentral und unter Zeitdruck erfolgt.

Altersgerechte Wohnformen und smarte Pflegewohnungen
Intelligente Systeme erkennen Notfälle wie Stürze oder Brände heute zuverlässig – einige von ihnen auch ganz ohne Fehlalarme. Diese Systeme werden immer günstiger und einfacher: Mittlerweile werden einfach nur mehr Sensoren an die Decke geschraubt, die KI analysiert.
In vollautomatisierten Pflegewohnungen lassen sich sogar Heizung, Licht und Sicherheitssysteme zentral steuern. Dadurch kann auch mit einem reduzierten Personalbedarf gearbeitet werden und es ermöglicht Kurzzeitpflege auch in Regionen mit geringer Ressourcenausstattung (z.B. nach Operationen).
Achtung: Digitale Infrastruktur als Grundvoraussetzung
Voraussetzung für viele dieser Angebote ist ein stabiler Internetzugang – gerade in ländlichen Regionen noch keine Selbstverständlichkeit. Der flächendeckende Breitbandausbau ist daher nicht nur ein infrastrukturelles, sondern auch ein gesundheitspolitisches Thema.
Technik allein reicht nicht: Begleitung und Schulung sind essenziell
Neben den oben beschriebenen Beispielen für eine Verbesserung der medizinischen Versorgung am Land gibt es jede Menge weitere Möglichkeiten, um in ruralen Gebieten Unterstützung zu bieten. So sind wir in Österreich betreffend eGovernment (= elektronische Verwaltung) im Vergleich zu anderen EU-Staaten bereits gut aufgestellt. (Europäischer Vorreiter ist hier Estland, das als digitales Musterland gilt.)
Den Entwicklungen in den Regionen können wir uns nicht entziehen – im Zusammenspiel mit den technologischen Entwicklungen ergeben sich aber gute Möglichkeiten, um drohende Versorgungslücken entweder zu schließen oder zumindest eine Basisversorgung sicherzustellen.
So gibt es Tools für den digitalen Auftritt von Gemeinden (in Österreich z.B. Gem2Go), es gibt eine Post- und Banken-Apps, mit der ID Austria kann selbst der Steuerausgleich beim digitalen Amt erledigt werden. Auch wenn es in ländlichen Gebieten keine Post- und Bank-Filiale mehr gibt, können diese digitalen Tools helfen, eine digitale Versorgungsstruktur aufzubauen.
Klar ist auch: Die Einführung digitaler Anwendungen erfordert mehr als nur die Anschaffung von Geräten. Besonders ältere Menschen benötigen Schulung, einfache Benutzeroberflächen und persönliche Begleitung beim Einstieg. Erfolgreiche Beispiele wie die AppCafés in Aarhus (Dänemark) zeigen, wie Technologie angstfrei vermittelt und in den Alltag integriert werden kann.
Pflege im ländlichen Raum ist machbar – wenn wir wollen
Pflege und Unterstützung in ruralen Gebieten kann organisiert werden – wenn man offen ist für neue Konzepte. Es braucht Mut, neue Wege zu gehen und bestehende Strukturen durch digitale Innovation zu ergänzen oder neu zu denken.
Mit dem gezielten Einsatz von Technologie, gut geplanten Netzwerken und der Einbindung von Zivilgesellschaft und Freiwilligen können auch dünn besiedelter Regionen mit medizinischen und pflegerischen Strukturen versorgt werden. Die Lösungen sind anders, aber sie sind vorhanden – und es liegt an uns, sie umzusetzen.

Author: Anja Herberth
Chefredakteurin