„Der Endkonsument fordert, was er oder sie will“

Günther Ohland ist deutscher SmartHome Pionier und Gründungsmitglied der SmartHome Initiative Deutschland. Im Interview geht er auf die sozialen Aspekte smarter Technologien ein und thematisiert die Entwicklung hin zu einem Kundenmarkt.

Im Interview:
Günther Ohland ist der deutsche Smart Home – Pionier: Er ist Fachjournalist für Telekommunikation, Telemonitoring, SmartHome, SmartBuilding und SmartCity, sowie Gründungsmitglied der SmartHome Initiative Deutschland. Ohland ist weiters Autor mehrerer Bücher zum Themenbereich SmartHome und Smart-Living.

Sein aktuelles Buch „Bits und Bytes statt Moleküle“ ist während der Pandemie entstanden und thematisiert, wie die COVID-Pandemie uns dazu zwingt, längst bekannte und sinnvolle Technik zu nutzen.
(Fotocredit: Günther Ohland)

Herr Ohland, sie beobachten seit vielen Jahren die Entwicklung am Smart Home-Markt. Wie ist die aktuelle Situation in Deutschland?

In Deutschland sind die Wohnungsbaugenossenschaften oft gleichzeitig Bauherren und Betreiber. Ihr Fokus liegt daher nicht nur auf den Entstehungskosten, sondern auch bei den Kosten entlang der gesamten Lebensdauer. Auf kommunaler Ebene gibt es daher schon gute Beispiele für smarte Projekte, insbesondere im sozialen Wohnungsbau.

Es gibt Planer, die haben bereits verstanden: Wenn man langfristig günstiges Wohnen zur Verfügung stellen will, dann muss man smart bauen. Andernfalls spart man an der einen Stelle, und zahlt die Folgekosten aus dem Nachbarbudget.

Gerade in Zeiten steigender Energiekosten sind smarte Gebäudekonzepte also eine Überlegung wert. Dennoch werden diese noch nicht überall umgesetzt. Woran liegt das ihrer Meinung nach?

In meinen Gesprächen mit Bürgermeistern wird als Gegenargument angeführt, dass die Subvention von beispielsweise smarten Heizkörperthermostaten private Wohnbaugesellschaften unzulässig mit Steuergeldern subventionieren würden. Bei gemeindeeigenen Wohnungen gibt es allerdings die Möglichkeit einer Förderung. Diese alten Regelungen müssen wir überwinden, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern.

Ich kann nur raten, den gesunden Menschenverstand zu aktivieren. Wenn man dann noch den Sozialaspekt betrachtet, bestünde sehr viel Potential mit bereits am Markt befindlichen Produkten.

Können Sie uns ein Beispiel geben?

Durch smarte Heizthermostate sind bis zu 30% Energieersparnis möglich, schon nach 2-3 Jahren rechnet sich die Investition für die MieterInnen wegen der geringeren Verbrauchskosten. (Anmerkung: Dadurch wird die Temperatur beim Verlassen des Hauses gedrosselt und auf dem Nachhauseweg/bei Nachhausekommen wieder hochgefahren).

Aber warum soll der Vermieter investieren, wenn nur der Mieter profitiert? Der Vermieter kann derzeit diese Investition nicht einmal von der Steuer absetzen. Dabei bringen solche kleinen Lösungen schnell eine Entlastung.

Oder sehen wir uns das altersgerechte Wohnen an. Ein Heimplatz für Menschen, die nicht mehr alleine zu Hause wohnen können, wird seitens der Sozialkassen mit 3.000-5.000 Euro pro Monat bezuschusst.

Wenn man allerdings 2.000 Euro einmalig in eine Wohnung investieren würde, dann könnten viele Senioren noch mehrere Jahre in der eigenen Wohnung bleiben, weil sie dann altersgerecht unterstützend ist. Etwa durch Alarmfunktionen, die Stürze erkennen. Menschen fühlen sich im eigenen Zuhause ja auch wohler als im Heim, und für einen einmalig kleinen Beitrag kann man dafür sorgen, dass der große monatliche Betrag gar nicht erst bezahlt werden muss.

Vielen Menschen ist es wichtig, möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden wohnen bleiben zu können. Fotocredit: Shutterstock
Ich höre in meiner Praxis oft das Gegenargument: Das kostet zu viel Geld. Der Betrag von 2.000 Euro klingt im Vergleich zu den Kosten eines Heimplatzes nach nicht viel. Warum hält sich das Vorurteil nach den hohen Kosten so hartnäckig?

In den Kalkulationen für einzelne Wohnungen und Häuser finden sich auch die Kosten für Planung und Konzipierung, diese stellen aber natürlich nicht den Preis dar, den diese smarten Wohnungen dann letztendlich bei der Umrüstung eines Wohnblocks kosten. Ich muss ja nicht jedes Mal neu eine Lösung konzipieren. 

Ein Beispiel für Ostdeutschland: Wir haben dort bei den noch vorhandenen Plattenbauten grundsätzlich zwei Grundrisse. Das bedeutet, wenn ich einmal eine Lösung ausgearbeitet habe, dann gilt das für alle gleichartigen Wohnungen und man kann quasi industriell produzieren.

Grundsätzlich gilt seit einigen Jahren: Wenn Sie ein Gebäude von vornherein smart planen, dann haben sie bei Funktionsgleichheit auch Kostengleichheit zwischen einem nichtvernetzten und einem vernetzen Gebäude. Mit smarten Gebäuden geht aber oft ein Mehr an Funktionalität einher, und das kostet dann natürlich auch mehr Geld.

Ich gehe aber auch davon aus, dass Lösungen oftmals teurer gerechnet werden, damit sie nicht umgesetzt werden muss. Man versucht, die alten Konzepte so lange umzusetzen, bis es nicht mehr geht.

Sie gehen also davon aus, dass man die alten Konzepte beibehalten möchte. Warum?

Wenn sie sich den professionellen Wohnungsbau genauer ansehen, dann hat die Angst vor smarten Installationen mehrere Gründe: Lange Jahre war Smart Home sehr teuer, für den Wohnungsbau eigentlich unbezahlbar. Weil nur kleine Stückzahlen produziert wurden und man zum Einbau ausgewiesene Spezialisten brauchte. Wohnungsbauunternehmen haben damals smarte Konzepte ausprobiert, und wie vieles im Anfangsstadium, gingen auch hier Projekte schief.

Die Ängste kommen aber auch aus der damals noch notwendigen kryptischen Programmierung. Wenn sie das nicht jeden Tag machen, dann wissen sie schnell im Detail nicht mehr wie das geht – und schon gar nicht, was sie vor 2 Jahren gemacht haben. Aber da hat sich in den letzten Jahren sehr viel entwickelt, es gibt bereits eine ganze Reihe von hochprofessionellen Systemen. Heute muss man nicht mehr programmieren, sondern eher konfigurieren. Die Produkte lassen sich mit wenig IT-Fachwissen installieren, ergänzen, weiterentwickeln und warten.

Im professionellen Wohnungsbau entscheiden außerdem nicht TechnikerInnen, sondern Kaufleute und JuristInnen nach ihren eigenen Kriterien. Zudem mussten die Projekte in der Vergangenheit immer billiger werden. So hat das Handwerk vielerorts gute Fachkräfte verloren. Daher ist es wenig verwunderlich, wenn nur noch die einfachste Qualität und simple Konzepte verbaut werden können.

Wenn man sich die Verkaufszahlen ansieht, dann sind die günstigeren Funklösungen auch die einzigen Systeme, die heute schon skalieren – die also bei privaten EndkonsumentInnen einen unternehmerischen Erfolg aufweisen. Ist hier schon ein Trend erkennbar? Werden sich die verwendeten Systeme – also zB KNX-Systeme vs. Funk-Systeme – auf die gewerbliche und private Nutzung aufteilen?

Im gewerblichen und industriellen Bereich werden die verkabelten Systeme weiterhin dominierend bleiben. Im privaten Bereich werden sich günstigere und nachrüstbare Funk-Systeme mehrheitlich durchsetzen. Die Verkabelung in Gewerbe- und Industriegebäuden ändert sich ja meist nicht, solange das Gebäude steht. Im privaten Bereich verändert sich die Nutzung der Räumlichkeiten aber sehr wohl je nach Lebensphase. Da müssten regelmäßig Kabel neu konzipiert und verlegt werden.

Es gibt gute Gründe, warum inzwischen viele Fertighaus-Hersteller smart ab Werk bauen und dabei auf Funklösungen setzen, weil sie dadurch Flexibilität erhalten. Die Schalter und Sensoren werden dort hingeklebt, wo der Kunde, die Kundin sie braucht. Der Klassiker sind Bücherregale, die plötzlich die Lichtschalter verdecken. Wollen sie das Regal absägen – oder den Schalter nicht einfach dorthin kleben, wo er besser passt?

Die oft gehörten Gegenargumente: Funklösungen sind nicht so leistungsfähig wie verkabelte Lösungen und unsicherer.

Die Argumente, die gegen Funklösungen sprechen, sind nicht immer nachvollziehbar. In der Industrie gibt es beispielsweise Notausschalter, die über Funk funktionieren. Wenn man sogar die Sicherheit von Menschen an Maschinen Funklösungen anvertraut, dann kann man  wohl Licht damit schalten.

Durch Covid hat sich die Nutzung von Gebäuden sehr verändert, das Zuhause wurde in der Pandemie digitaler, hat sich zum smarten Home Office und Schulzentrum weiterentwickelt. Was denken Sie: Wie werden sich smarte Lösungen ihrer Meinung nach entwickeln?

Früher hat der Hersteller ein Produkt entwickelt, der Großhandel hat es an den Handwerkern verkauft, und die wiederum an die EndkonsumentInnen. Das funktioniert heute nicht mehr. Der Endkonsument fordert, was er oder sie haben will.

Es wäre schön, wenn seitens der EndkonsumentInnen nicht ein spezielles Produkt, sondern wenn die gewünschten Funktionalitäten eingefordert wurden, dann können Handwerker das beste System dafür anbieten. Die privaten Bauherren haben in der Vergangenheit aber viele Gespräche mit Handwerkern geführt, und viele haben sich lange gegen smarte Lösungen gewehrt, hatten keine Zeit. Da es im Internet genug Informationen gibt, machen sich EndkonsumentInnen einfach online schlau. KundInnen sind heute so gut informiert, dass sie den Handwerkern sogar die Produkte vorgeben.

Welche Erwartungen setzen Sie in die neue deutsche Bundesregierung?

Der Wohnungsbau wurde zwar immer als sehr wichtig kommuniziert, aber lange hatte man dafür kein eigenes Ministerium. Jetzt haben wir eines, das ist neu und gut so. Bauen ist in Deutschland Ländersache. Erfahrungsgemäß passen die Bundesländer ihre Strukturen nach und nach dem Bund an. Der Wirtschaftsminister und die Bauministerin haben die Notwendigkeiten der Veränderung insbesondere aus Klima- und Umweltgründen erkannt. Daher hoffe ich, dass Bauen künftig nicht nur verwaltet wird, sondern dass es wirklich vorangeht. Die Zukunft des Bauens ist smart.

Vielen Dank für das Interview!

Mehr zu Günther Ohland und der Initiative Smart Home Deutschland finden Sie unter https://sites.google.com/view/goredaktion/start und https://www.smarthome-deutschland.de.

Anja Herberth
Author: Anja Herberth

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