Photovoltaik erlebt derzeit einen massiven Boom, wenig Wunder, erleichtert doch ein völlig neues Fördersystem den Konsumenten den Zugang zu entsprechenden Systemen. Dennoch steht die Branche noch vor großen Herausforderungen, betont Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Photovoltaic Austria, im Gespräch mit Smart Buildings Compass.
Die Austrian Energy Agency sieht noch viel Potenzial für einen Ausbau der Photovoltaik in Österreich. Was bedeutet dies für die heimische Photovoltaik-Branche?
Vera Immitzer: Ganz konkret bedeutet das für die heimische PV-Branche, dass sie, trotz der vergangenen zwei Rekordjahre, immer noch vor große Herausforderungen gestellt wird. Neun verschiedene Raumordnungs-, Bauordnungs- sowie Elektrizitätswirtschaftsgesetze, die unterschiedlicher nicht sein können, führen zu langwierigen und unnötig aufwändigen Genehmigungsverfahren. Dieser Bereich gehört dringend entrümpelt. Schließlich ist seit fünf Monaten eine EU-Notverordnung in Kraft, wonach Photovoltaik-Anlagen rascher zu genehmigen sind – die gilt aber nur noch gut ein Jahr. Daher brauchen wir zusätzlich dringend ein Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG), um Anlagen nachhaltig schneller genehmigt und Anforderungen auf das notwendige Minimum reduziert zu bekommen.
In der Branche gibt es Gerüchte, dass PV Anlagen nur einen Teil des erzeugten Stroms beziehungsweise gar nichts ins Netz einspeisen können. Stimmt das?
Ja, leider sind für sehr viele Photovoltaik-Anlagen zu wenig Kapazitäten im Netz vorhanden bzw. ist unklar wo noch welche vorhanden sind, weil die Netzbetreiber diese Information nicht offenlegen (müssen). Das führt zu langen Wartezeiten, fehlenden Einspeisemöglichkeiten und unklaren Bedingungen bezogen auf den Netzanschluss. Die Lösung wäre mehr Transparenz sowie klare Netzausbaupläne.
Bis 2030 muss die PV-Stromproduktion um elf TWh ausgebaut werden. Wo können die dafür nötigen Anlagen umgesetzt werden?
Leider werden wir mit den klassischen Dach-Anlagen nur rund die Hälfte umsetzen können. Es wird daher auch Photovoltaik-Kraftwerke in der Freifläche brauchen, die auch auf einer höheren Netzebene – wo noch leichter Kapazitäten vorhanden sind – einspeisen. Hier sind vor allem die einzelnen Bundesländer gefordert ausreichend „Vorrangzonen“ für die Anlagen auszuweisen. Als äußerst günstig erweist sich hier ein Fokus auf Doppelnutzungspotentiale, wie bspw. die Kombination mit der Landwirtschaft. Als Verband bemühen wir uns sehr durch intensive und faktenbasierte Kommunikation – über Studien, Broschüren, Vorträge usw. – das nötige Verständnis für die PV in der Freifläche in den einzelnen Bundesländern zu schaffen, damit die Freiflächen-PV neben der Dach-PV endlich als dringend notwendiger Teil der Lösung gesehen wird.
Eine besonders wichtige Rolle spielen für Konsumenten Förderungen, womit können Nutzer heute rechnen? Und welche neuen Förderungen sind zu erwarten bzw. wären gut, wenn sie umgesetzt würden?
Das Thema Förderwesen ist ein sehr gutes Beispiel, wie die österreichische Regierung mithilfe des EAGs eine Hürde aus dem Weg geräumt hat. Ein völlig neues Fördersystem auf Bundesebene, bestehend aus einer Investitionsförderung für Photovoltaik-Anlagen bis 1.000 kWp sowie einer Marktprämienförderung, und unglaubliche Fördermittel im mittleren dreistelligen Millionenbereich waren definitiv die Initialzündung für den derzeitigen PV-Boom. Neu ist, dass mehrere Bundesländer mittlerweile eine eigene Förderungen für PV-Carports auf Schiene gebracht haben.
Neue Potenziale für weiteren PV-Ausbau nutzen
Aber es gibt noch weitere innovative Formen der Photovoltaik, wie bspw. Fassaden-PV, Floating-PV oder auf Lärmschutzwänden. Diese Anlagen sind essenziell für den weiteren PV-Ausbau, sind aber häufig kostenintensiver oder scheitern an den erforderlichen Genehmigungen oder dem fehlenden Bewusstsein für die Notwendigkeit der Technologie. Würden diese Projekte auch von den Ländern stärker gefördert werden, können neue Potentiale für den weiteren Ausbau genutzt werden.
Das bedeutet, beim Thema Förderung ist alles gut, alles wird gefördert?
Nicht so ganz, denn man könnte die Förderung noch optimieren in dem man bei privaten Photovoltaik-Anlagen auf eine MWSt-Befreiung setzt um das Förderwesen noch mehr zu Entbürokratisieren. Wir als Verband begrüßen diesen Vorstoß der Ministerin und sind zusammen mit der Bundesinnung der Elektrotechniker sehr bemüht hier Gespräche zu führen und wichtige Überzeugungsarbeit zu leisten.
Wie haben sich die Marktanteile der Photovoltaik am Gesamtstrommix in den letzten Jahren verändert?
Betrug der Beitrag der Photovoltaik zur heimischen Stromerzeugung 2020 noch lediglich drei Prozent, konnte dieser Beitrag mittlerweile auf rund sechs Prozent gesteigert werden. Das hört sich jetzt im ersten Moment nicht gerade viel an, ist aber doch ein beträchtlicher Anteil, wenn man bedenkt, dass ungefähr 60 Prozent des jährlich in Österreich produzierten Stroms aus Wasserkraft stammt und sich die PV daher die restlichen 40 Prozent mit allen anderen Energieträgern, auch fossilen, teilt. In den vergangenen zwei Jahren konnte in Österreich kein anderer Energieträger so rasante Zuwächse verbuchen wie die Photovoltaik.
Und in Zukunft? Wie hoch wird der Anteil des PV-Stroms 2030 sein?
Wirft man einen kurzen Blick in die Zukunft, kann man unter der Annahme einer weiteren massiven Elektrifizierung des Energiesystems erwarten, dass bereits 2030 ein Sechstel (mind. 15 Prozent) des heimischen Strombedarfs rein durch die Energie der Sonne gedeckt wird.
Was erwarten Sie als Verband in Sachen Marktdynamik in den nächsten Jahren, wohin wird sich die Branche entwickeln?
Die letzten Jahre waren wirklich enorm und die PV ist zu einem echten Massenphänomen geworden. Trotzdem haben wir erst die „Low-Hanging-Fruits“ geerntet und dürfen jetzt keinesfalls erwarten, dass die Photovoltaik-Branchenentwicklung einfach so weiter geht. Wir müssen weiter optimieren, um den derzeitigen Schwung aufrechtzuerhalten, denn es sind noch extrem viele PV-Anlagen in Österreich zu installieren.
Neue Qualifikationen nötig
Es werden sich daher auch neue Geschäftsfelder und -möglichkeiten für die Branche ergeben und auch neue Qualifikationen nachgefragt werden. Im Gebäudesektor bspw. werden das innovative gebäudeintegrierte Photovoltaiksysteme sein, aber auch die Fassaden-Photovoltaik. Bei letzterem gibt es zurzeit noch gewisse Bedenken bezüglich des Brandschutzes. Deshalb führen wir als Verband gerade gemeinsam mit der Stadt Wien Feldversuche durch, um auch hier zukünftig Klarheit zu schaffen.
Für den Verband bedeutet das auch weiterhin bestehende Hürden für die Branche abzubauen, durch faktenbasierte Kommunikation Türen zu öffnen und gute Rahmenbedingungen für die Zukunft zu schaffen.
Zur Person
Nach ihrem Studium des Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der BOKU arbeitet Vera Immitzer beim Fachnetzwerk Energiekommunikation. In dieser Funktion gestaltet sie in diversen Gremienarbeiten die politische Agenda im Bereich erneuerbare Energien (Spezialgebiet Photovoltaik) mit. Mit 2017 wurde sie Generalsekretärin, seit 2019 ist sie Geschäftsführerin des Bundesverbandes Photovoltaic Austria.