Herbert Preinsperger ist Leiter des Lehrbetriebs von Jugend am Werk in Rotenturm und Experte auf dem Gebiet der Lehrlingsausbildung.
Mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung analysiert er im folgenden Interview die Entwicklungen rund um den Themenkomplex der Lehre. Das Interview mit Herbert Preinsperger führte Celine Kirnbauer.
"Die Lehre ist zukunftsfit"
Jugend am Werk in Rotenturm legt den Fokus auf die überbetriebliche Berufsausbildung, bei der aktuell rund 60 Jugendliche ausgebildet werden. Die Ausbildungsstätte bietet den Lehrlingen die Wahl zwischen den Lehrberufen „Metalltechnik/Maschinenbautechnik“ und „Metalltechnik/Metallbau- und Blechtechnik“ – mit der Option einer „Lehre mit Matura“. Neben der täglichen Ausbildungsarbeit engagiert sich das Team rund um Herrn Preinsperger sowohl für den Eintritt in den ersten Arbeitsmarkt als auch für die Förderung von Frauen in der Technik. Dafür wird seit 2018 eine Facharbeiterinnen-Intensiv-Ausbildung eigens für Frauen ab 18 Jahren im Bereich Zerspanungstechnik angeboten.
Beschäftigt man sich genauer mit den Ursachen des Fachkräftemangels, so scheint eine Analyse in Bezug auf die sinkenden Lehrlingszahlen unausweichlich. Sie beobachten seit Jahrzehnten die Entwicklungen rund um die Lehre. Welche Veränderungen haben Sie wahrgenommen?
Herbert Preinsperger: Wenn man einen Blick auf die AbsolventInnen-Zahlen von Maturaklassen wirft, erkennt man einen starken Anstieg im Laufe der letzten Jahre. Eine Matura zu haben, hat enorm an Bedeutung gewonnen. Darauf hat man aber auch mit dem Angebot der „Lehre mit Matura“ reagiert, um den Jugendlichen beides bieten zu können. Dennoch entscheidet sich der Großteil der Jugendlichen für eine schulische Laufbahn. Das wirkt sich natürlich in weiterer Folge auf den Fachkräftemangel aus, weil es am Markt schlichtweg an Lehrlingen fehlt. Zudem kommt noch die Möglichkeit eines freiwilligen 10. Schuljahres**, die diese Schieflage noch weiter verschärft.
Warum entscheiden sich Ihrer Meinung nach immer weniger Jugendliche für einen Lehrberuf?
Herbert Preinsperger: Zum einen ist es die Unwissenheit, was sich in den letzten Jahrzehnten alles verändert hat. Durch die Automatisierung und Digitalisierung haben sich viele Jobprofile und folglich auch die Lehre verändert. Viele Tätigkeiten, die früher händisch unter schwerem Aufwand erledigt werden mussten, werden heute von Maschinen getätigt. Sprich viele Arbeitsschritte bestehen darin, Maschinen mit den richtigen Daten zu füttern. Diese Veränderungen steigern die Attraktivität eines technischen Lehrberufs enorm. Darüber wissen jedoch die Jugendlichen leider oft nicht Bescheid.
Zum anderen wird eine Lehre von Teilen der Gesellschaft leider sehr abwertend gesehen. Das hat wiederum mit dem Nicht-Wissen und der fehlenden Einsicht in die Berufspraxis zu tun. Das ist wirklich sehr schade, vor allem wenn man sieht, was die Lehrlinge täglich leisten und wieviel Kompetenz sie sich über die Jahre hinweg aufbauen. Da müsste mittels Aufklärungsarbeit ein Umdenken stattfinden. Denn auch volkswirtschaftlich gesehen, leisten Fachkräfte einen wichtigen Beitrag für unseren Wirtschaftsstandort und sollten dementsprechend auch eine angemessene Wertschätzung erfahren.
Welche Faktoren könnten zu dieser negativen Betrachtung der Lehre geführt haben?
Herbert Preinsperger: Jugendliche und Eltern, die keine Berührungspunkte mit den verschiedenen Berufen aufweisen, haben oft eine veraltete Vorstellung der Lehre. Man setzt eine Lehre im technischen Bereich automatisch mit schwerer, physischer Arbeit gleich. Das mag früher seine Richtigkeit gehabt haben, aber durch die Automatisierung und den Einsatz von hochtechnologisierten Maschinen fallen körperlich schwere Arbeiten weitestgehend weg. Das stellt auch eine Chance für Frauen in der Technik dar. Man muss gestehen, dass Frauen früher tatsächlich einen physisch-bedingten Nachteil gegenüber Männern hatten. Heute nicht. Vielmehr geht es um technische Anwendungskenntnisse – da stehen Frauen Männern in keinster Weise etwas nach. Auch in unserem Betrieb spiegelt sich das immer größer werdende Interesse von Mädchen bzw. Frauen wider, denn ein Drittel unserer Lehrlinge ist weiblich.
Warum ist eine Lehre in der Technik eine zukunftsorientierte Entscheidung?
Herbert Preinsperger: Der Fachkräftemangel wird immer deutlicher und der Überhang an Akademiker/Innen immer größer. Die Digitalisierung und Automatisierung schreiten auch immer weiter voran. Dadurch steigt der Bedarf an Fachkräften mit technischem Wissen. Das spricht wiederum für überaus gute Zukunftsperspektiven.
Der große Vorteil der Lehre ist, dass man sich einerseits das Basiswissen und die Grundkompetenzen aneignet. Dadurch lernen die Jugendlichen, wie gewisse Tätigkeiten ohne den Einsatz von modernster Technologie zu verrichten sind. Und andererseits erlernen sie von Beginn an den Umgang mit den technologischen Möglichkeiten und erarbeiten sich in diesem Zuge auch wichtige Programmierungskenntnisse, die heutzutage nicht mehr weg zu denken sind. Betriebe suchen händeringend nach Leuten mit genau diesen Fähigkeiten. Natürlich steigen dadurch auch die Verdienstmöglichkeiten, die für junge Leute nicht unerheblich sind.
Welche Maßnahmen müssen im Konkreten gesetzt werden, um mehr Jugendliche für eine Lehre gewinnen zu können?
Herbert Preinsperger: Die Eltern sind ein wesentlicher Faktor, da sie einen großen Einfluss auf die Entscheidung ihrer Kinder haben. Daher ist die Bereitschaft der Eltern, sich gemeinsam mit den Jugendlichen über die Ausbildungsmöglichkeiten zu informieren, ganz besonders wichtig. Für Jugendliche ist es eine extrem schwierige Aufgabe, wenn man bedenkt, mit 13/14 Jahren eine Entscheidung für‘s Leben treffen zu müssen. Dem müssen sich auch Eltern bewusst sein und sollten daher ihre Kinder so gut wie möglich beim Entscheidungsprozess unterstützen. Dafür ist es aber notwendig, dass sie über die ganze Bandbreite an Ausbildungsmöglichkeiten informiert sind.
Wie ich schon vorher erwähnt habe, scheitert es oft an dem fehlenden Wissen, wie eine Lehre heutzutage aussieht und wieviel sich in den letzten Jahren getan hat. Schnuppertage wären die perfekte Möglichkeit, um sich selbst ein Bild von der Lehre in einem Betrieb zu machen. Hier wäre es schön, wenn es mehr Schnupperangebote für Schüler/Innen der 3. und 4. Klasse Unterstufe gäbe. Wir laden dazu jede Schule herzlich in unseren Betrieb ein. Man darf nicht unterschätzen, welchen Motivationsschub solche Erlebnisse und Eindrücke hinterlassen können.
Vielen Dank für das Interview!
** SchülerInnen, die ihre allgemeine Schulpflicht an mittleren oder höheren Schulen erfüllt haben und die 9. Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen haben, dürfen ein freiwilliges 10. Schuljahr an der Polytechnischen Schule absolvieren.