Bisher sind schwimmende Häuser vor allem aus Städten, wie beispielsweise Amsterdam bekannt, wo Hausboote als Fotomotive für Touristen dienen oder eine Übernachtung über Plattformen wie Airbnb als einzigartiges Erlebnis gebucht wird. Doch schon bald könnte dieses Konzept in einem weitaus größeren Maßstab auf dem offenen Ozean Realität werden, da Prototypen für futuristisch aussehende schwimmende Städte konkrete Formen annehmen.
Geleitet von der Angst um jene Orte, die davorstehen aufgrund des steigenden Meeresspiegels vom Antlitz der Erde zu verschwinden, versuchen mittlerweile viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, gangbare Alternativen zu finden. Diese sollen den Menschen eine Möglichkeit bieten, im Einklang mit dem Wasser zu leben und auf die sich verändernden Lebensbedingungen zu reagieren. Primäres Ziel ist momentan daher, dass diese Prototypen den Schritt aus der Ideenphase schaffen und letztendlich in die Realität umgesetzt werden.
Ein vielversprechendes Konzept ist zum Beispiel das Projekt „Oceanix-City“ von der Architektur- und Designfirma Bjarke Ingels Group (BIG). Die Architektin Bjarke Ingels betont dabei, dass „90% der größten Städte bis 2050 vom steigenden Meeresspiegel betroffen sein [werden]. Das Meer ist unser Verhängnis, es kann aber auch die Zukunft sein.“
Schwimmende Gemeinschaft
Ein anderes Beispiel ist „Dogen City“, ein Projekt von japanischen Architekten des Start-ups N-Ark. Hier liegt der Fokus auf der modularen Verbindung von Wohnplattformen, um eine schwimmende Gemeinschaft für bis zu 40.000 Menschen zu schaffen. Diese Stadt nutzt zukunftsorientierte Technologien, die von ihrer Nähe zum Wasser und dem schwimmenden Untergrund profitieren sollen. So können Wohnungen innerhalb der Stadt mithilfe von Segeln verschoben werden, und die Nahrungsmittelproduktion wird durch regenerative Aquaponik unterstützt. Das Datenzentrum befindet sich in der untersten der drei vorgesehenen Schichten, quasi unter Wasser, um eine effiziente Kühlung zu gewährleisten. Dieses ambitionierte Projekt soll bis 2030 umgesetzt werden.
Die Architekten des Start-Ups „N-Ark“ sind aber nicht die einzigen, die sich mit diesem Problem auseinandersetzen. Das Seasteading-Institute verfolgt ebenfalls das Ziel, unabhängige Gemeinschaften auf offenen Gewässern zu schaffen, die ein autarkes Leben durch die Verwendung neuester Technologien ermöglichen. Dabei werden eigenständige politische Regionen mit eigener Regierung und Gesetzen geschaffen.
Autarke Städte
So wie auch das Projekt „Oceanix-City“, verfolgt das Seasteading Institute das Ziel, eine unabhängige Gemeinschaft auf offenem Gewässer zu schaffen. Dafür gibt es unterschiedliche Konzepte, wobei alle Städte als autarke politische Regionen mit eigener Regierung und Gesetzen agieren sollen. Nachhaltige Ressourcennutzung und Umweltschutz stehen dabei im Mittelpunkt.
Das Konzept wurde erstmals in den frühen 2000er Jahren von Patri Friedman, einem Enkel von Milton Friedman vorgeschlagen. Mit Peter Thiel, Mitbegründer von PayPal, wurde ein großer Investor an Bord geholt während das Blue Frontiers-Team , welches von Mitarbeitern des Instituts und einem ehemaligen Minister von Französisch-Polynesien gegründet wurde, für die Umsetzung der schwimmenden Städte verantwortlich ist.
Im Jahr 2017 hatte sich mit Französisch-Polynesien auch ein Test-Partner gefunden. Diese eigenständige Region ist besonders von dem steigenden Meeresspiegel betroffen. Dennoch wurde das Seasteading-Institut nicht ohne Skepsis empfangen, da Fragen zur Umweltfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit im Raum standen. Auch gab es noch einige ungeklärte Entscheidungen. Die einzelnen, geplanten Module sollten Quadrate von 50 mal 50 Metern oder Fünfecke sein und müssen zusammengekoppelt sein, um den Einflüssen des Meeres, wie z.B. den Wellen standhalten zu können.
Auch die Frage der Energieversorgung ist offen, da Sonnen- und Windenergie allein nicht ausreichend wären, wird zusätzlich auch die Wellenenergie in Betracht gezogen. Viele andere Themen sind ebenfalls noch nicht abschließend geklärt.
Leider stehen solche Projekte auch immer unter einem politischen bzw. wirtschaftlichen Licht. So wurde das Projekt auf Tahiti, der bekanntesten Insel von Französisch-Polynesien, 2017 aus politischen Gründen vorläufig verschoben, wie das Seasteading-Institut bekannt gab.
Auch auf anderen Teilen der Welt gab es Versuche, Seasteading-Projekte zu starten, aber diese haben bisher noch nicht zu vollständig autonomen schwimmenden Städten geführt. Die meisten dieser Projekte befinden sich noch in der Forschungs- und Planungsphase.
Kreuzfahrtschiff als Stadt
Ein etwas anderes Konzept einer schwimmenden Stadt ist das „Freedom Ship“. Hierbei handelt es sich um ein ambitioniertes Konzept für ein riesiges Kreuzfahrtschiff, das als schwimmende Stadt dienen soll. Es soll mit einem selbsttragendem Ökosystem ausgestattet werden und verschiedene Einrichtungen und Wohnungen beherbergen.
Das Freedom Ship-Konzept bietet umweltfreundliche Ergänzungen zu seinen technischen Konzepten. Dazu gehören effektive Abfallwirtschaftssysteme, Abwasserentsorgungssysteme und Methoden zur Aufbereitung sowie Recycling. Laut Bauplänen soll das Schiff etwa 100 Dieselmotorsysteme für sein Antriebssystem integrieren, um es gut steuern zu können. Dessen Ausstattungskosten belaufen sich jedoch auf eine Million Dollar.
Der Bau des Freedom Ship wurde allerdings aus verschiedenen Gründen, hauptsächlich aufgrund von Bedenken an der Funktionsfähigkeit des Schiffes, vorübergehend gestoppt. Obwohl einige maritime Experten zuversichtlich sind, dass das Schiff erfolgreich sein kann, bleiben die finanziellen Aspekte ein bedeutendes Hindernis. Trotzdem handelt es sich um ein vielversprechendes Konzept, das möglicherweise in der Zukunft eine wegweisende Rolle in diesem Bereich spielen könnte.
Ausblick in die Zukunft
Die Vision einer Welt, in der Menschen im Einklang mit den sich verändernden Umweltbedingungen auf dem Wasser leben, wird durch wegweisende Projekte wie Dogen City immer greifbarer. Diese innovativen Ansätze zeigen, dass das Meer nicht nur eine Bedrohung darstellt, sondern auch eine Quelle der Inspiration und Lösungen für die Zukunft sein kann. Dabei ist es entscheidend, dass diese Städte autark sind, da sie abseits vom Festland eine eigene Infrastruktur für Strom, Wasser, Abwasser und Müllentsorgung benötigen. Sobald diese Aspekte berücksichtigt sind, bieten die Konzepte die Möglichkeit einer eigenständigen Lebensweise, die in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Zahlreiche Faktoren, darunter Technologie, Finanzierung und politische Akzeptanz, spielen auf diesem Weg eine entscheidende Rolle.