Ein Haus im Grünen wurde gerade zu Pandemie-Zeiten der Traum vieler Städter. Die Kosten für Grund, Haus und Sanierung ziehen auch als Folge davon massiv an. HausbesitzerInnen werden aktuell zu SpekulantInnen: Vormalige Ladenhüter entwickelten sich zu begehrten Objekten, die zu schwindelerregenden Preisen gehandelt werden.
Gemeinsam mit einem Freund besichtigte ich dieser Tage zwei Doppelhaushälften in Niederösterreich: 80 und 130 m2 Wohnfläche, der „Garten“ ein schmaler Streifen auf der Rückseite der Doppelhaushälften. Die beiden Grundstücke sind seit mehreren Jahren unbewohnt, seit Jahrzehnten wurde nichts mehr investiert. Die Immobilie bietet keine besonders schöne Lage oder Aussicht, auf der Rückseite blickt man auf ein eher schmuckloses Feld. Und jetzt bitte setzen sie sich besser: Kostenpunkt für beide Häuser gemeinsam – 208.000 EUR. Also jetzt nur bedingt eine Okkasion.
Spannend wurde es dann bei den notwendigen Investitionen: Räumung der restlichen vergammelten Möbel und komplette Sanierung des Mauerwerks samt Neuaufteilung der Zimmer. Denn diese sind völlig irre aufgeteilt – in den Innenräumen braucht es daher eine komplette Neuplanung.
Räumung & Entsorgung des bereits windschiefen Holzstadels und der ehemaligen Stallung, Zaun komplett neu errichten. Fenster und Türen tauschen, Sanierung der Elektro-Installationen damit die Hütte nicht abbrennt, Auflösungstendenzen am äußeren Mauerwerk reparieren und Dämmung anbringen (Holzbauweise und völlig ungedämmt), Dach reparieren und eventuell gleich dämmen, Entsorgung und völliger Neuaufbau der beiden Stein-Terrassen. Die Autoeinfahrt hat eine STUFE (ja, tatsächlich!), also ist die Einfahrt neu zu gestalten. Es gibt in einem Teil des Hauses keine Heizung, also nicht einmal eine Verrohrung.
Je länger die Führung seitens des Maklers dauerte, desto größer wurden meine Augen.
Rechnen sich die Investitionen?
Ganz ehrlich: Nein.
Die beiden Häuserhälften sind wahrlich keine Perlen – angesichts der notwendigen Investitionen und den Kostensteigerungen für Material und Fachpersonal am Markt bin ich mir nicht sicher, ob man mit weiteren 200.000 EUR für die Sanierung überhaupt auskommt. Eigentlich sollte man diese beiden Häuser abreißen und völlig neu bauen – da gibt es aber günstigere Möglichkeiten. Hier erspart man sich durch den Kauf eines unbebauten Baugrunds die Kosten für die Abrissbirne und die Entsorgung. Und diese Kosten sind nicht unterschätzen!
Mein Fazit: Diese Doppelhaushälften wären in der Vergangenheit über längere Zeit im Netz vergammelt, vermutlich für nicht einmal ein Drittel des heutigen Preises verkauft worden. Zu Pandemiezeiten wird dem Makler daher die Bude eingerannt, er rechnet mit raschen Verkaufserfolg, da diese Bruchbude eines der wenigen verfügbaren und für Familien leistbaren Objekte im Süden Wiens ist. Da die guten Lagen schon längst verkauft sind, kommen jetzt die Ladenhüter und viel schlechteren Objekte in den Vertrieb.
Und während der jetzige Besitzer spekuliert, wird laut Makler seitens der Familien mit Wunsch nach einer eigenen Immobilie kalkuliert: In Wien ist Besitz völlig unleistbar geworden. Wohnraum um eine halbe Million Euro ist keine Seltenheit, und dieser ist dann auch noch zu sanieren. Sie kaufen daher lieber Wohnraum im Grünen, der noch halbwegs leistbar scheint, und sanieren diesen mit viel Aufwand. Sie treiben damit aber auch die Preise in die Höhe, greifen bei völligen Bruchbuden zu horrenden Preisen zu.
Oft nicht am Radar: Die kommenden EU-Mindeststandards für Gebäude
Nachhaltiges Agieren wird in den kommenden Jahren die Politik und die geltenden Richtlinien und Verordnungen diktieren. Damit könnte Hausbesitz am Land hinkünftig ganz schön teuer werden – insbesondere dann, wenn die Bruchbuden saniert werden MÜSSEN.
Das strebt nämlich derzeit die EU an: Der Gebäudesektor ist in Europa der größte Energieverbraucher, 40 Prozent der Energie werden hier eingesetzt. Das verursacht in Bau, Sanierung und Gebrauch auch knappe 40 Prozent der Treibhausgase. Um dem entgegenzuwirken, soll die Energieeffizienzrichtlinie für Gebäude neu aufgestellt werden. Der erste Vorschlag sieht Minimalstandards vor: Hauser, die in den untersten 15 Prozent der Effizienzklassen hineinfallen, sollen verpflichtend saniert werden. Ab 2030 stellt sich die EU nur mehr Neubauten vor, die keine Emissionen mehr ausstoßen dürfen.
Bedeutet: Gebäude werden laut Vorstellung der EU bald nur mehr mit erneuerbaren Energien betrieben, weiters soll mit klima- und umweltschonenden Materialien gebaut werden.
Weiters wird die EU-Klimataxonomie – das sind die Kriterien, welche Investitionen als nachhaltig gelten – den Immobiliensektor nachhaltig verändern. Große Unternehmen sowie Unternehmen von öffentlichem Interesse und der gesamte Finanzsektor werden berichtspflichtig. Dieser Druck soll die Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten fördern: „Ziel ist die Schaffung eines Regelwerks, das die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Laufe der Zeit auf eine Stufe mit der Finanzberichterstattung stellen wird. Die vorgeschlagene Richtlinie wird die EU-Bestimmungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf alle Großunternehmen und alle börsennotierten Unternehmen ausweiten.“
Bedeutet: Investitionen in Gebäude, die nicht auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz ausgerichtet sind, werden mittel- bis langfristig teurer.
Heißt auch: Die kommenden Klimavorschriften im Blick, könnten diese Bruchbuden zu einem Fass ohne Boden werden. Nämlich dann, wenn eine sauteure Sanierung vorgeschrieben wird. Weiters werden diese Sanierungsbomben mit der nachhaltigen Ausrichtung des Immobilien-Markts ohne diese Sanierung weit weniger wert sein als Häuser mit besserer Energieeffizienz.
Daher mein Appell: Kaufen sie bitte nicht jeden Schrott, der ihnen angeboten wird! Ein Haus im Grünen ist großartig, aber bitte nicht um jeden Preis.
Mag. (FH) Anja Herberth
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