Angesichts der hohen Kosten für Finanzierung, Material und Personal wird leistbares Wohnen immer schwieriger zu organisieren. Hohe Baukosten bedeuten auch höhere Mieten. Um Wohnungen leistbarer zu machen, helfen Standardisierung, Effizienz und ein hoher Vorfertigungsgrad. Um die Mechanismen zu verstehen führten wir ein Interview mit Rafael Lughammer, Managing Partner der LZH Group.
Warum wir uns diesem Thema widmen:
- Leistbares Wohnen wird angesichts der Multikrisen am Markt zu einer immer größeren Herausforderung. Beispiel Deutschland: In den meisten Metropolen sind die Mieten laut einer Marktforschung von Immoscout24 in 2021, spätestens seit 2022 rasant gestiegen. Die Gründe liegen in der Zinsanhebung, dadurch wurde der Neubau unattraktiv – viele Menschen bleiben zur Miete wohnen. Weiters sind die Kosten für Sanierung und Wohnbau gestiegen, was zum Teil auf die Mieten aufgeschlagen wurde.
- Der Wohnungsmarkt ist leergefegt: Die starke Zuwanderung und der teuer gewordene Neubau führten zu einem Nachfrageanstieg am Mietmarkt. In Berlin liegt der Leerstand bei 0,3 Prozent, in München bei 0,2 Prozent.
- Auch andere Metropolen klagen über Wohnungsmangel: Im spanischen Barcelona sollen etwa die Lizenzen für Wohnungen, die aktuell noch legal an Touristen über Airbnb vermietet werden, ab 2028 auslaufen. In Wien wird die Vermietung über Airbnb auf 90 Tage/Jahr beschränkt, ansonsten ist eine Ausnahmegenehmigung notwendig.
- Der Wohnraumbedarf ist durch den Zuzug hoch, der Neubau ist komplett eingebrochen. In den kommenden Jahren wird leistbares Wohnen immer herausfordernder.
- Es braucht daher neue Lösungen, um trotz hoher Neubaukosten günstigen Wohnraum zu schaffen. Eine davon ist der standardisierte Bau über Module.
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SBC: Wir gehen aktuell sehenden Auges in eine Krise am Wohnungsmarkt, leistbares Wohnen wird zu einer immer größeren Herausforderung. Was kann der Wohnungsbau beitragen, um leistbares Wohnen wieder zu ermöglichen?
Lughammer: Grundlegend gehen wir davon aus, dass das Eigenheim für viele Menschen weiterhin unerschwinglich bleiben und die Nachfrage nach Mietwohnungen stetig steigen wird. Bereits heute fehlen in Deutschland und Österreich hunderttausende Wohnungen, Tendenz stark steigend. Um hier schnell Abhilfe zu schaffen setzen wir auf eine Modulbauweise und nachhaltige Baustoffe, die stark verkürzte Bauzeiten bei gleichzeitig hoher Qualität gewährleisten. Dadurch können wir dringend benötigten Wohnraum in unter zwölf anstatt in üblicherweise 24-36 Monaten schaffen.
Was bei uns über allem schwebt ist Effizienz und Standardisierung. Wir gehen weg von einer einzelnen Projektbetrachtung hin zu einem hochstandardisierten, skalierbaren Produkt. Darin fließen unsere Erfahrungen und natürlich auch laufend Feedback aus unseren bereits bestehenden Wohnanlagen mit ein. Dadurch können wir unser Produkt immer weiter optimieren und noch effizienter gestalten.
SBC: Was bedeutet Standardisierung im Wohnungsbau genau? Was kann alles standardisiert werden?
Lughammer: Das Standardisierungsdenken zieht sich durch die ganze Wertschöpfungskette hindurch. Das beginnt bereits bei der Überprüfung der Grundstücke und Vorbereitung für den Kauf, und geht dann von der Planung über die Konzeptionierung bis hin zur Ausschreibung von Bauleistungen und Baubegleitung bis hin zum Controlling, der Fremdfinanzierung und zum Betrieb. Das alles kommt von uns und wird permanent auf Kostentreiber kontrolliert. Wir denken sehr ganzheitlich und schöpfen dadurch das gesamte Optimierungspotential aus.
SBC: Die Entstehungskosten werden also möglichst gering gehalten. Ein wichtiger Punkt für leistbares Wohnen sind auch die Kosten im laufenden Betrieb.
Lughammer: Ich weiß, was sie meinen: Viele Entwickler bauen und danach werden die Gebäude oder einzelne Wohnungen sofort abverkauft. Das ist kurzfristig gedacht, in unserem Fall ist das anders. Wir betreuen im anschließenden Asset Management, also im laufenden Betrieb, weiter. Heißt: Die LZH Group und unsere Investoren sind langfristig orientiert, wir haben also auch die Betriebskosten im Blick. Wir sind nicht an kurzfristigem Geld interessiert, sondern es geht um langfristige Bestandhaltung und Werte für Generationen.
SBC: Welche Vorteile haben die Investoren? Zahlt sich leistbares Wohnen für sie aus?
Lughammer: Wir arbeiten sehr gesamtheitlich denkend mit einer tiefen Wertschöpfungskontrolle. Das können wir, weil wir von Projektbeginn an sehr datengetrieben agieren. Das beginnt bereits in der Grundstücksprüfung und -akquise.
Wir sind überregional tätig und gehen ganz bewusst weg von Wien. Unsere Projekte finden Sie in Ballungszentren oder Speckgürteln in ganz Österreich. Wir arbeiten mit vielen Daten wie beispielsweise der Einwohnerzahl und der Bevölkerungsentwicklung – historisch und zukünftig. Wir wissen, in welchen Regionen es bereits ein bisschen teurer ist zu bauen. Wir prüfen die Grundstücks- und Mietpreise in den Regionen, die Verkehrsanbindung. All diese Daten fließen in ein Modell ein, das uns zeigt, welche Gebiete für unsere Projekte in Frage kommen – und welche nicht.
SBC: Was wären Knock-out Kriterien, welche Gebiete sind nicht attraktiv?
Lughammer: Wir versuchen aus der Historie einer Region abzuleiten, wie sie sich entwickeln wird. Gab es ein negatives historisches Bevölkerungswachstum, wie sieht die Prognose des zukünftigen Bevölkerungswachstums aus? Ein weiteres Kriterium ist die Einwohnerzahl. Unter 2.000 EinwohnerInnen ist ein Neubauprojekt mit einer Mindestgröße von 20 bis 30 Wohnungen ein hohes Risiko.
Was noch relevant ist, ist das Verhältnis von Mieten zu Grundstückspreisen. Das zeigt oft das Potenzial in der Region, also ob ein Gebiet sehr gefragt ist, aber in der Miete noch unterrepräsentiert ist. Faktoren sind auch, welche Wohnungen besonders gefragt sind: Junges Wohnen, oder Wohnungen für ältere Personen?
Wir sehen uns diese Faktoren sehr genau an und gewichten diese. Darauf basieren die Investitionsentscheidungen.
SBC: Wie sehen die Wohnungen und die Grundrisse in ihren Wohnungen aus? Gibt es hier noch Besonderheiten, die sie leistbar machen?
Lughammer: Kostengünstig heißt für uns nicht billig, sondern mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis. In den Wohnungen selbst merkt man nichts. Bei der Holzmodulbauweise gibt es Holzsteher in den Wohnungen, die für ein gutes Raumklima sorgen und nach Holz riechen.
Wir achten aber darauf, die Wohnungen so optimal und effizient wie möglich zu gestalten. Die Frage ist immer: Was ist unnötiger Luxus, was ist notwendig? Wir vermeiden beispielsweise nicht notwendige Allgemeinflächen und bauen keine Tiefgaragen, die sehr kostenaufwendig sind. Die Stellplätze und Kellerabteile bauen wir im Freien.
Die Wohnungen sind im Durchschnitt 60 m2 groß. Wir achten darauf, die Grundrisse und Mauern so zu planen, dass von den Maßen her ein Ikea-Kasten hineinpasst – und nicht vom Tischler eine Maßanfertigung notwendig wird. Wir vermeiden auch Dachschrägen,
Auf der Terrasse muss ein Tisch für 2-4 Personen Platz haben, alles darüber ist unnötiger Luxus. Im Bad braucht es nicht Dusche und Wanne, also beides. Für Familien-Wohnungen sind es Badewannen, in allen anderen Wohnungen Duschen, barrierefrei gestaltet sind sie bodeneben. Diese Wohnungen eignen sich für ältere Menschen, denen das Haus oder die Wohnung zu groß wurde und die sich bewusst eine kleinere Wohnung suchen.
Die Küchen sind funktional, statt hochpreisiger Miele-Produkte verwenden wir Gorenje – auch eine tolle Marke. Wir achten darauf, dass die Ausstattung und Einrichtung modern ist und eine gute Preis-Leistungs-Qualität bietet.
Seit der Corona-Pandemie sind übrigens Freiflächen zwingend notwendig. Und dafür sind Menschen auch bereit zu zahlen.
SBC: Sie bauen in Modulen – wie kann ich mir das vorstellen?
Lughammer: Je nach Bauweise und Gebäudegröße benötigen wir im Schnitt 7-8 Monate ab Baugenehmigung. Der Bau des Grundgerüsts geht sehr schnell, die restlichen Schritte brauchen etwas mehr Zeit.
Wir pflegen mit den ausführenden Unternehmen enge Partnerschaften und sind dadurch sehr schnell. Im Prinzip errichten wir auf einer Bodenplatte ein Trägerskelett, in das wir die vorgefertigten Baumodule einhängen. Dafür braucht es auf der Baustelle auch keine speziellen Fachkräfte mehr.
SBC: Das ist von Vorteil, da es am Bau viel zu wenige Fach- und Arbeitskräfte gibt.
Lughammer: Ja, im Prinzip könnten wir beide die Module zusammenbauen. Es reichen einfache Geräte und eine Montageanleitung, um diese Teile zusammenbauen. Dann kommt der Estrich mit der Fußbodenheizung, meist arbeiten wir ja mit einer Luftwärmepumpe als Heizung.
Im Holzbau arbeiten wir mit Tischlern, und es braucht natürlich Elektriker und Installateure für gewisse Bauschritte, auch Fliesenleger. Aber man spart sich einen Teil der Fachkräfte durch die hohe Standardisierung.
Wir sind durch die Modulbauweise auch relativ flexibel, und er bringt noch einen weiteren Vorteil in der Rückbaufähigkeit mit. Wir arbeiten mit dem Unternehmen, welche das Ausweichquartier aufbaute, als das österreichische Parlament saniert wurde. Nach der Fertigstellung wurde es einfach wieder abgebaut. Die Bauteile liegen auf Lager und es wird gerade überlegt, so man die Teile wieder nutzen kann.
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SBC: Da ist der Kreislaufgedanke bereits Teil des Konzepts.
Lughammer: Es gibt auch keine tragenden Wände oder eine fix verbaute Leitungsführung in den Wänden. Die Wandmodule sind einfach und flexibel austauschbar, wenn etwas kaputt geht. Das macht auch die Instandhaltung sehr kostengünstig. Ebenso ist es einfach, zu bestehenden Gebäuden dazu zu bauen.
Durch das Bauen mit System haben wir gegenüber dem konventionellen Bau den Vorteil, dass wir sehr fokussiert und in der Vorfertigung in einer geschützten Umgebung arbeiten. Dadurch verringern wir die Fehlerquoten und auch die Mängel, die dann später in der Bewirtschaftung eine Rolle spielen.
SBC: Wo liegen die größten Herausforderungen in der Praxis?
Lughammer: Wir können die Kosten im Bau schon sehr gut vorhersehen, auch im Material. Die Module kommen fix und fertig auf die Baustelle. Das bedeutet, dass wir eine sehr hohe Kostensicherheit haben. Der größte Unsicherheitsfaktor ist die Baugenehmigung. Wir beziehen daher die Gemeinden schon sehr früh mit ein, bevor wir das Grundstück noch gekauft haben. Und stellen den Nachbarn und AnrainerInnen das Projekt bereits zu einem frühen Projektzeitpunkt vor, beziehen sie mit ein.
Ein strittiger Punkt ist beispielsweise häufig, dass wir mit einem Flachdach arbeiten. Die Gemeinden bestehen darauf, dass unsere Gebäude an die Optik in den Straßenzügen angepasst werden. Das Ortsbild ist wichtig, keine Frage, aber das sind natürlich weitere Kosten, die den Bau verteuern.
Ein weiterer Punkt ist oft auch die Stellplatzverordnung. Wir müssen pro Wohnung zwei Stellplätze machen, auch wenn die Region sehr gut an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden ist. Aber wir treffen auch auf sehr fortschrittlich denkende BürgermeisterInnen, die auf moderne Mobilitätskonzepte setzen. In Klagenfurt werden wir frei zugängige Fahrrad-Sharing Stationen aufbauen, die Erstmieter erhalten eine Jahreskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel. Es wird auch eine E-Carsharing-Station mit 2 E-Ladestationen geben. Damit können wir diese standardmäßigen zwei Stellplätze pro Wohneinheit auch reduzieren.
Unser Mobilitätsverhalten wird sich meiner Meinung nach ändern, und es wird nicht mehr jeder Haushalt ein Verbrenner-Auto haben. Der Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel und Anbindungen wird für Regionen immer wichtiger. Wir bemühen uns, dieses langfristige Denken nicht nur auf Projektentwickler- oder Investorenseite hereinzubekommen, sondern auch auf politischer Ebene.
Vielen Dank für das Interview!