Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen sterben im Durchschnitt 13 bis 15 Jahre früher als die Allgemeinbevölkerung. Hauptursache sind nicht nur die psychischen Leiden selbst, sondern vor allem körperliche Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Leiden – die wiederum stark vom Lebensstil beeinflusst werden.
Denn Rauchen, Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung und schlechter Schlaf sind in dieser Patientengruppe besonders weit verbreitet. Diese Faktoren verschlechtern nicht nur das psychische Befinden, sondern erhöhen auch das Risiko für Diabetes, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Laut der aktuellen Lancet Psychiatry Commission sind rund 70 % der Todesfälle bei schwer psychisch Erkrankten auf körperliche Erkrankungen zurückzuführen.
Ein gesunder Lebensstil wirkt doppelt
Die Experten betonen daher: Maßnahmen wie Ernährungsberatung, Bewegungsprogramme, Rauchstopp und ausreichend Schlaf wirken gleich zweifach: Sie lindern psychische Symptome und schützen gleichzeitig die körperliche Gesundheit. Damit sind sie eine wirksame Ergänzung zur klassischen Psychotherapie oder medikamentösen Behandlung.
Noch liegt der Fokus in der psychiatrischen Versorgung aber oft alleinig auf Krisenintervention und Medikation. Lebensstilmaßnahmen spielen bisher eine Nebenrolle. Die Kommission fordert daher einen Paradigmenwechsel:
Mehr Investitionen in Prävention und Aufklärung
Zugang zu Ernährungs- und Bewegungsexpert:innen
Schulung von Fachkräften im Umgang mit Lebensstilthemen
Strukturelle Unterstützung, damit Betroffene überhaupt gesunde Entscheidungen treffen können – etwa durch weniger Hürden beim Zugang zu Sportangeboten oder gesunden Lebensmitteln
»Unsere Lebensweise kann den Verlauf von psychischer und körperlicher Gesundheit maßgeblich beeinflussen«, betont der Ernährungswissenschaftler Scott Teasdale von der University of New South Wales in der Ausarbeitung. Doch gesunde Routinen sind gerade für psychisch Erkrankte schwer umzusetzen. Und nur allzu oft verstärken Armut, Isolation oder Stigmatisierung die Hürden.
Dem Lebensstil eine größere Bedeutung zuzuschreiben, wird immer mehr ein zentraler Baustein der Gesundheitsversorgung. Nicht nur in diesem Feld, aber gerade in der Psychiatrie kann er nachgewiesenermaßen über Jahre an Lebenszeit entscheiden. Denn die Investition in einen besseren Lebensstil verhindert Folgeerkrankungen, entlastet die Gesundheitssysteme und verbessert die Lebensqualität.

Author: Anja Herberth
Chefredakteurin