Energiewende: Ein Marathon, kein Sprint

Die österreichische Bundesregierung präsentierte neben Konjunkturmaßnahmen auch das lange angekündigte Erneuerbare-Wärme-Paket (EWG). Der Versuch einer Einordnung – von Anja Herberth

Die österreichische Bundesregierung präsentierte neben Konjunkturmaßnahmen auch das lange angekündigte Erneuerbare-Wärme-Paket (EWG). Die Maßnahmen im Gesamtausmaß von sechs Milliarden Euro sollen sowohl die Energiewende als auch die Baubranche befeuern, die auf Grund des wirtschaftlich schwierigen Umfelds schwächelt.

Neben den wichtigsten Eckpunkten der Maßnahmen versuchen wir eine Einordnung: Was läuft gut, was läuft gerade schief?

Die wichtigsten Eckpunkte der Maßnahmen

Die Sanierung wird weiter gefördert:

Statt auf Verbote wird vermehrt auf Anreize gesetzt: 1 Mrd EUR stehen für den Tausch von Gas- und Ölheizungen und thermische Sanierungen zur Verfügung. Klimaschutz-Ministerin Leonore Gewessler: „Wer seine alte Heizung tauscht, bekommt im Durchschnitt ¾ ersetzt.“ Gewessler weiter: „Menschen können und werden diese Entscheidung selber treffen.“ Vor allem einkommensschwache Haushalte sollen von diesen Förderungen profitieren. 

Der Zugang zu Förderungen soll niederschwelliger und weniger komplex werden, ebenso wird die Mehrwertsteuer für Photovoltaik-Anlagen 2024-25 für Komponenten und Montage ausgesetzt. Diese Maßnahme soll laut Regierung an die 650 Mio EUR kosten.

Um die Konjunktur zu stützen werden weiters Investitionen in öffentliche Bau- und Sanierungsprojekte in der Größenordnung von rund 640 Millionen EUR vorgezogen. Betroffen sind hier etwa ÖBB (Modernisierung von Bahnhöfen), ASFINAG (Modernisierung von Raststationen) und die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG).

Die Energiewende - also der Ersatz von Kohle und Erdöl mit regenerativen Alternativen wie Sonnen-, Windenergie, Wasserkraft und Geothermie - ist ein Kraftakt: "Ein Marathon, kein Sprint" - Credit: Shutterstock

Was nicht kommt: Es kommt kein verpflichtender Austausch der Gas- und Ölheizungen, ab 2024 soll jedoch der Einbau von Gasheizungen ab 2024 verboten werden. Das Verbot hänge aber davon ab, ob es rechtzeitig im Nationalrat beschlossen werden kann. Dafür braucht es eine 2/3-Mehrheit, die SPÖ habe man bereits über diesen Plan informiert.

Eine weitere Verwässerung: Wien hatte sich für das sogenannte Zentralisierungsgebot stark gemacht. Dadurch hätten Wohnungsbesitzer, in denen jede Wohnung eine eigene Heizung hat, verpflichtend auf eine Zentralheizung umsteigen müssen. Sofern verfügbar, hätte dieser Wechsel zur Fernwärme stattfinden sollen.

Das Hilfspaket für die Unternehmen: Der Energiekostenzuschuss II soll die deutlich höheren Energiekosten, die für Unternehmen im Jahr 2023 im Vergleich zum Jahr 2021 angefallen sind, zumindest teilweise kompensieren. Neben Treibstoffen, Strom, Erdgas sind auch Wärme/Kälte, Pellets und Hackschnitze umfasst.

Voraussetzung ist die Genehmigung des Hilfspakets durch die Europäische Kommission, die noch aussteht. Hintergrund dafür: Als genehmigungspflichtige Unternehmensbeihilfe muss Österreich die Förderrichtlinie der Europäischen Kommission zur Notifizierung vorlegen.

Der Förderzeitraum ist das gesamte Jahr 2023, wie beim Energiekostenzuschuss I ist die Austrian Wirtschaftsservice GmbH (aws) für die Abwicklung verantwortlich. Seit 16. Oktober können sich Unternehmen bis 2. November 2023 über den aws Fördermanager voranmelden, der Antragsstart ist für den 9. November 2023 vorgesehen. Hier geht es zu den Informationen des Bundesministeriums zum Energiekostenzuschuss II.

Unsere Analyse und Einordnung

Was passiert ist: Das Maßnahmenpaket der österreichischen Bundesregierung zum Erneuerbaren-Wärme-Gesetz war bereits ausverhandelt, seit fast einem Jahr wurde mit der Opposition über die Ausgestaltung gestritten. Denn für einen Teil der Maßnahmen braucht es im Parlament eine 2/3-Mehrheit. Das Gesetz sah in der Regierungsvorlage noch den weitgehenden Ausstieg aus Öl und Gas in der Raumwärme vor: Ölkessel sollten bis 2035, Gas bis 2040 komplett ersetzt werden. Laut den präsentierten Plänen sind diese Verpflichtungen zum Kesseltausch nicht mehr vorgesehen. Bedeutet: Das Maßnahmenpaket stellt eine deutlich reduzierte Fassung als geplant dar.

Unsere Einschätzung: Die langen Verhandlungen und vielfältigen Konflikte zeigen, wie sehr die Positionen auseinanderdriften und wie schwer eine gemeinsame Linie zu erreichen ist. Die Energiewende ist zu einem Spielball zwischen den Parteien und Verbänden geworden, in dem politische Strategien und Ideologien zu verhärteten Fronten führen. Es riecht nach Vorwahlkampf: In Österreich wird kommendes Jahr der Nationalrat neu gewählt. Auch aus diesem Grund wird wohl die Geld-Gießkanne noch nicht komplett weggepackt werden.

Gleichzeitig will man in Österreich bis 2040, auf EU-Ebene bis 2050 CO2-neutral sein. Das wird sich mit diesem Tempo nicht ausgehen, die Produktionskapazitäten fehlen, und der dafür notwendigen Netzausbau wird bis dahin schlicht nicht möglich sein. Viele Themen und Herausforderungen sind weiters noch völlig ungeklärt.

Es fehlt der Übergang von der ambitionierten Vision in eine durchdachte Strategie, also von der Theorie und salbungsvollen Worten hin in die Praxis.

Weiters gibt es zu wenige qualifizierte Fachkräfte für diese Mammutaufgabe. Bei den Energieversorgern mangelt es heute schon an 2.000 Fachkräften, auf Industrieseite fehlen aktuell 12.000 Fachkräfte. Prognose für 2026: Ein Mangel von weit über 20.000 Fachkräften. In Kärnten werden aktuell 100 StarkstromtechnikerInnen gesucht, dem Bedarf stehen 9 Arbeitssuchende gegenüber. Die Wirtschaft braucht ElektrikerInnen, ElektronikerInnen und IT-Fachkräfte: Die Netze werden immer komplexer, die Steuerung alleine durch die dezentrale Energiegewinnung (z.B. durch Energiegemeinschaften, private Photovoltaik-Anlagen) wird immer aufwendiger.

Was die weiteren Förderungen und die Aussetzung der Mehrwertsteuer für Photovoltaik-Anlagen bedeuten

Diese Förderungen werden die bereits existierende Nachfrage noch weiter befeuern und das Netz noch mehr unter Druck setzen. Es würde Sinn machen, gleichzeitig auch die Anschaffung eines Speichers zu fördern – damit verstärkt die selbstproduzierte Energie auch selbst verbraucht wird. Seitens der APG und Netzbetreibern wird daher vom Setzen von Fehlanreizen gesprochen.

Und: Wenn verstärkt nun weiter in den Ausbau der dezentralen Energieproduktion investiert wird, muss gleichzeitig auch in die Netzinfrastruktur investiert werden. Die Wirkung dieser Förderungen und Investitionen verpufft, wenn der Strom nicht in das Netz eingeschleust werden kann, weil die Netzkapazitäten schlicht fehlen. Die bereits bestehenden Überproduktionen durch Förderungen noch weiter zu verschärfen, wird seitens des KELAG-Vorstands Reinhard Draxler als „nicht besonders klug“ bezeichnet.

Fraglich ist weiters, ob die ausgesetzte Mehrwertsteuer seitens der Unternehmen auch wirklich an die EndverbraucherInnen weitergegeben wird. Man habe sich seitens der Unternehmensvertretung auch bemüht, europäische Produkte verstärkt fördern zu lassen – dies fand im aktuellen Plan keinen Platz.

Was bedeutet das nun für die EndkonsumentInnen: Wer sich aktuell für eine PV-Anlage interessiert, wird wohl immer öfter die Rückmeldung seitens des Energieversorgers erhalten, dass die Netzkapazitäten für eine uneingeschränkte Einspeisung mit allen Spitzen schlicht nicht ausreichen. Die enormen Überschüsse, die wir an Sonnentagen produzieren, werden durch Abschaltungen wohl begrenzt werden (müssen), weil der Strom nicht mehr zu den Kunden oder Speichereinheiten gebracht werden kann.

Was die geförderte Sanierung bedeutet

Die Mittel für den Sanierungsbonus werden um 200 Mio Euro auf insgesamt 300 Mio Euro erhöht. Sanierungen bedeuten eine Aufwertung bereits bestehender Gebäude. In Bau und Betrieb sind unsere Gebäude für knapp 40% der weltweiten CO2-Belastung verantwortlich. Um die Energiewende und CO2-Neutralität in den kommenden Jahrzehnten zu schaffen, sind diese Maßnahmen daher dringend notwendig. Im besten Fall werden diese Sanierungen ganzheitlich angegangen – sprich: Durch die Vernetzung vom Heizungs-, Warmwasser-, Energieproduktions- und Speicher-System im Gebäude, um eine auf einander abgestimmte, gemeinsame Lösung aufzusetzen. Gemeinsam mit Dämmungsmaßnahmen ermöglichen ganzheitliche Lösungen die besten Einsparungen. Weiters sind diese Sanierungen ein guter Hebel, um die schwächelnde Bauwirtschaft zu unterstützen.

Die Investitionen der EndkonsumentInnen werden durch die Förderungen weiterhin unterstützt – und diese sind beträchtlich: Laut Berechnungen des Economica Instituts verursacht die Umstellung von Gas auf eine Luftwärmepumpe eines in den 1970er Jahren erbauten Einfamilienhauses mit 111 m2 Wohnfläche Gesamtsanierungs-Maßnahmen von rund 166.000 Euro.

Wenn verstärkt in den Ausbau der dezentralen Energieproduktion investiert wird, muss gleichzeitig auch in die Netzinfrastruktur investiert werden - Gerhard Christiner, CTO der APG (Credit: OVE/Fürthner)
Was bedeutet der fehlende verbindliche Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen?

Statt eines Verbots wird auf Eigenverantwortung gesetzt. Das ist grundsätzlich gut, denn es ist notwendig, dass sich Menschen mit der Energiewende auseinandersetzen und kompetente Entscheidungen treffen. Druck hätte wohl noch mehr Gegendruck erzeugt. Der Umstieg von Gas und Öl auf Alternativen wird massiv gefördert (3/4 pro neuer Heizung), ebenso die Aktion “Sauber Heizen für Alle“. Sie unterstützt einkommensschwache Haushalte mit bis zu 100% Förderung, diese Förderung wird um 60 Mio EUR auf insgesamt 200 Mio EUR erhöht. Hier gelten als Nachweis für die soziale Bedürftigkeit die Bestätigung des Bezugs der Sozialhilfe oder die GIS-Befreiung.

Die Kritik seitens einiger Verbände fällt aber natürlich hart aus. Denn es gibt in Österreich nach wie vor genützte 1,4 Millionen Öl- und Gasheizungen: 500.000 Ölheizungen, 900.000 Gasheizungen.

Christoph Dolna-Gruber von der Energieagentur: „Für den urbanen Raum (besonders Wien) und die kommunale Wärmeplanung ist das nicht-Adressieren von Öl- und (vor allem) Gasheizungen im Bestand ein Problem. Hier ist ein synchronisiertes Vorgehen in gasversorgten Gebieten (Ausbau Fernwärme, Gasnetzrückbau usw.) besonders wichtig.“

Oft gebe es komplizierte Eigentümerstrukturen und das Vermieter-Mieter-Dilemma, was Sanierungs- und Heizungsprojekte und den Zugriff auf noch so hohe Förderungen erschwere. In neuen Gebäuden gebe es ohnehin einen geringeren Verbrauch, der Großteil der Öl- und Gasheizungen sei aber in Bestandsobjekten zu finden. Während bei den Einfamilienhäusern mit den Förderungen durchaus ein Hebel vorhanden ist und ein „Run auf Biomasse und Wärmepumpen“ prophezeit wird, ist die Herausforderung im städtischen Bereich noch ungelöst.  

Strom: Warum es einen Ausbau der Netzinfrastruktur braucht

Früher wurde das System sehr sicher geführt: Es gab einige wenige Produzenten, das hat sich geändert – dieses klassische Modell ist Geschichte. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz gab auch kleinen Erzeugern wie EndkonsumentInnen die Möglichkeit, Strom zu produzieren und einzuspeisen. Dafür ist das Stromnetz aber nicht genug ausgebaut. Um die Dimensionen dieses Umbaus klar zu machen: Die Energiewende ist laut Experten der größte System-Umbau auf europäischer Ebene seit dem 2. Weltkrieg. Dafür ist sie schlicht zu schlecht und nicht bis zu Ende gedacht – und verursacht dadurch hohe Kosten, Ineffizienz und mehr Probleme als notwendig.

Gerhard Christiner, CTO der Austrian Power Grid (APG), ist als Technikvorstand für das Funktionieren des Hochspannungsnetzes in Österreich verantwortlich. Er kritisiert die Asynchronität: Also auf der einen Seite den beschleunigten, aber unstrukturierten Ausbau der Erneuerbaren-Produktion durch z.B. private PV-Anlagen, und auf der anderen Seite den viel zu langsamen Ausbau der Netze.

Der Grund: Wenn wir Überschüsse des günstigen, selbst produzierten Stroms nicht in Gebiete mit Unterversorgung transportieren oder speichern können, wird das Energiesystem ineffizient und unwirtschaftlich – und für die EndkonsumentInnen teurer.

Das Burgenland alleine produziert mit Windkraftwerken an starken Tagen 8x soviel wie es selbst benötigt. Nur in Verbindung mit gut ausgebauten Netzverbindungen in Regionen mit Pumpspeicher-Kapazitäten bzw. mit Energiebedarf hat dieser Ausbau einen Sinn – und bringt uns in der Energiewende weiter.

Alleine die Engpass-Managementkosten belaufen sich heuer bereits auf 125 Mio EUR, Christiner schätzt die Gesamtkosten bis Ende des Jahres auf bis zu 150 Mio EUR. Kosten, die natürlich die EndkonsumentInnen mit den Netzentgelten zu bezahlen haben. Diese kommen zustande, weil wir Erneuerbaren Strom nicht einspeisen können, günstigen Strom nicht zB aus Deutschland importieren können und thermische Kraftwerke hochfahren müssen, um den Bedarf zu decken.

Bedeutet auch: Österreich kann nicht uneingeschränkt im europäischen Strommarkt mitagieren – also den Überschuss z.B. verkaufen oder kaufen. Wenn Österreich aus dem Ausland Strom beziehen will, aber die Kapazitäten nicht ausreichen, werden wir vom europäischen Stromnetz entkoppelt. Daraus entsteht ein durchschnittlicher Preis-Unterschied von 26 Euro/Megawattstunde zwischen Deutschland und Österreich – diesen Betrag zahlen wir mehr. Auch dies hat negative Auswirkungen auf unseren Wirtschaftsstandort. Daraus ergibt sich auch: Die Energiewende darf nicht regional oder aus dem Wunsch nach Autarkie geplant werden. Das führt automatisch zu höheren Kosten. Sie ist ein europäisches Projekt und muss (oder besser gesagt: müsste) auch so geplant werden – nur dann kann ein leistbares und volkswirtschaftlich sinnvolles System aufgebaut werden.

Warum wir in Speicherkapazitäten investieren müss(t)en

Speicher sind auf Grund der Tag-Nacht-Verlagerungen, aber auch saisonal notwendig: Die Überschüsse sind unter tags bzw. saisonal im Sommer natürlich besonders groß, die Defizite sind im Winter groß. Hier wird es mittelfristig zu einer Vernetzung von mehreren Technologien kommen: Das Nutzen der in Österreich vorhandenen Pumpspeicherkapazitäten ist besonders wichtig, auch die Speicherung von Stromüberschüssen in Wasserstoff-Infrastruktur steht zur Debatte.

Eine Unterstützung wäre auch die dezentrale Entlastung über die Haushalte: Neben der reinen PV-Förderung macht daher die bereits angesprochene Förderung Sinn, um die dezentral produzierte Energie (z.B. über eine Photovoltaik-Anlage) von EndkonsumentInnen zu einem höheren Anteil selbst zu nutzen. Dafür bräuchte es die Anschaffung von Batteriespeichern, die auf Grund der hohen Kosten noch keine ausreichende Amortisation bieten. Weiters sind die Rückspeis-Tarife immer noch akzeptabel, weshalb die Motivation für diese Anschaffung zusätzlich fehlt.

Die Verschiebung innerhalb eines Tages ist noch die einfachste Aufgabe, Herausforderung wird die Verschiebung von Wochen, und die „Königsdisziplin“ die Bevorratung von Energie über Monate hinweg (also vom Sommer etwa in den Herbst/Winter).

Knapp 80% der österreichischen Stromerzeugung stammten 2022 aus erneuerbaren Quellen. Warum ist die Energieproduktion immer noch ein Problem?

Ja, das ist korrekt. Wasserkraft ist in diesem Produktionsmix führend, gefolgt von Windkraft, Biomasse und Sonnenenergie.

Es gibt Zeiten, in denen sehr viel Strom am Markt vorhanden ist – etwa im Sommer, oder wenn es genügend Wasser gibt, der Wind günstig weht. Der Bedarf an Energie ist jedoch besonders hoch am Abend und in der Nacht sowie im Winterhalbjahr, also wenn die Sonne nicht mehr oder weniger scheint. Der Trend in Richtung Wärmepumpen wird diese Entwicklung noch weiter befeuern: Auf Erdöl oder Erdgas basierende Heizungen und Warmwasseraufbereitungen werden durch strombasierte Technologien ersetzt und erhöhen dadurch den Stromverbrauch.

Die VOEST Alpine stellt ihre Hochöfen auf Elektro-Lichtbogenöfen um - Copyright: voestalpine AG, Quelle: voestalpine.com
Warum es ein Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz braucht

Die Genehmigungsverfahren für Projekte, welche essentiell für die Energiewende sind, dauern oft viele Jahre. Ein Beispiel: Die VOEST Alpine in Linz stellt ihre Hochöfen um und dekarbonisiert die Stahl-Produktion. Zur Einordnung der Tragweite, welche CO2-Einsparung dies ermöglicht: Ein Hochofen verursacht 5% der österreichischen CO2-Emissionen, diese sollen sukzessive sollen diese durch Elektro-Lichtbogenöfen ersetzen. Das Projekt wurde geplant und ist seitens der APG in Genehmigung und Umsetzung. Die strategische Umweltprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung wurden durchgeführt und positiv beschieden. Auf Grund eines Einspruchs wird durch die aufschiebende Wirkung steht das Projekt nun still. Das Erkenntnis des Richters plädiert dafür, die rechtlichen Rahmenbedingen so aufzusetzen, dass diese dringend notwendigen Projekte eine Priorisierung und auch die notwendige rechtliche Sicherheit erhalten.

Es mangelt aktuell noch an diesen rechtlichen Rahmenbedingungen – und an einem gut durchdachten Rahmenplan für die gesamte Energiewende. Also an einem koordinierten und beschleunigten Ausbau der Netze. Dazu wird aktuell der österr. Netzinfrastrukturplan erstellt. Anfang des Jahres 2023 wurde ein Beschleunigungsgesetz für diese Projekte angekündigt, dieser muss auch die Netzinfrastruktur mitbeinhalten. 

Das ist auch das Ziel der sogenannten Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) seitens der EU, sie ist das Kernstück des Europäischen Green Deals. Die Richtlinie soll die EU-Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, die oft jahrelangen Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Ausbau von erneuerbaren Energien, Netzen und Energiespeichern drastisch zu kürzen.

Werden wir im Winter 2023/24 ein Problem mit der Energieversorgung bekommen?

Die hohen und vorallem volatilen Energiepreise werden bleiben – auch weil man es auf europäischer Ebene nicht geschafft hat, die Preisgestaltung über das sogenannte Merit Order-System neu aufzustellen.

Wir haben dennoch eine andere Ausgangssituation als im Winter 2022/23: Die Ukraine-Krise führte zum Aufbau von Notfall-Plänen, man hat Schnittstellen neu definiert, jeder weiß was zu tun ist. – Christiner: „Die Krise war ein guter Lehrmeister.“ Zum anderen sind die nationalen Vorratslager, etwa Pumpspeicherkraftwerke und Gasspeicher, in Österreich sehr gut gefüllt. Weiters sind die französischen Atomkraftwerke wieder in Betrieb, sie wurden im vergangenen Herbst/Winter saniert. Heuer ist Frankreich wieder ein starker Energie-Exporteur. Sollten keine Einmaleffekte entstehen – wir leben ja in einer Zeit der Multi-Krisen, siehe Naher Osten – sollten wir den Winter gut überstehen.

Warum Unternehmen Unterstützung in der Energiewende benötigen

Insbesondere energieintensive Unternehmen sind durch die hohen und volatilen Energiepreise, aber auch die fehlenden Rahmenbedingungen stark unter Druck. Der langsame und zu wenig strategisch geplante Erneuerbaren-Ausbau sowie der Netze sorgen für Unsicherheiten und belasten natürlich nicht nur die EndkonsumentInnen. Auch für Unternehmen ist die Energiewende nicht oder nur schlecht planbar und teurer als notwendig. Dadurch leidet die Standortattraktivität des Landes Österreich.

Laut einer Umfrage des Fachverbands der Elektro und Elektronikindustrie unter den Mitgliedsbetrieben „denken 40% der Unternehmen massiv darüber nach, einen ihrer Standorte aus Österreich oder Europa zu verlagern.“ Kari Kapsch, Präsident des Österreichischen Verbands für Elektrotechnik (OVE): „Wir reden hier nicht von einem lokalen, österreichischen Problem, sondern von einem europäischen.“ Zuschüsse (siehe oben: Energiekostenzuschuss II) sind angesichts dieser Herausforderungen keine ausreichende Antwort, jegliche „seriöse Kalkulation von Prozessen und Produktpreisen ist unmöglich.“ Dafür braucht es nachhaltige und wirksame Rahmenbedingungen, um eine langfristige Stabilität der Preissituation herzustellen.

Anja Herberth
Author: Anja Herberth

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