Stahlschrott: Strategische Ressource könnte knapp werden

Für eine grüne Stahlproduktion braucht es die vermehrte Verarbeitung von Stahlschrott – und dieser könnte laut einer Vorstudie des Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) zum knappen Gut werden. Von der Verfügbarkeit des wertvollen Schrottmaterials ist die Zukunftsfähigkeit der Stahlindustrie in den Ländern abhängig. Auch der Bausektor wird hier seinen Beitrag leisten müssen.

Stahl ist ein wichtiger Rohstoff für die Konstruktion und ist dementsprechend gefragt. Der Energieeinsatz ist in der konventionellen Produktion beträchtlich, wodurch dieser Sektor zu einem großen Hebel wird, um die Klimaziele zu erreichen. Ein Schlüsselelement ist hier die Umstellung der Produktion auf strombetriebene, elektrische Lichtbogenöfen. Dadurch kann Stahlschrott zur Herstellung von Stahl wiederverwertet werden. Heißt damit auch: Schrott wird nun weltweit zur wertvollen Ressource.

Warum wir uns diesem Thema widmen:

  • Weltweit wird dekarbonisiert – bedeutet: Fossile Energieträger werden durch nachhaltigere Energie-Quellen ersetzt. Es geht um die Schaffung eines klimafreundlicheren, post-fossilen Zeitalters, auf das sich die Welt vorbereitet. Selbst die Arabischen Emirate dekarbonisieren.

  • Einige Industrien und Sektoren stellen einen besonders großen Hebel dar: So sind Gebäude entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette von der Erstellung bis hin zur Nutzung für knapp 40% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Die Stahlproduktion weltweit für etwa 7% der Emissionen, in Österreich sind es auf Grund des großen Stahlproduzenten voestalpine 16%. Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, müssen wir genau diese Hebel zielgerichtet nutzen.

  • Wie beide Sektoren zusammenhängen? Der Bausektor braucht sehr viel Stahl, jedoch ist durch die Art der Verarbeitung eine Trennung des Materials nicht immer so einfach. Die grüne Stahlproduktion braucht diesen Stahlschrott aber dringend – das wird auf Grund des knappen Angebots am Weltmarkt auch zu einer Standortfrage.

  • Die Umstellung auf Kreislaufwirtschaft ist eine große Chance für Unternehmen: Der zukünftige Stahlschrott-Markt wird alleine in Österreich 1 Mrd US-Dollar Umsatz bringen und bis zu 2.000 neue Beschäftigte benötigen.
Stahlschrott wird mit der Umstellung der Stahlproduktion auf Lichtbogenöfen weltweit knapp und zu einer strategischen Ressource. Peter Klimek, Direktor des Supply Chain intelligence Institute Austria, plädiert im Interview daher für rechtzeitige Gegenmaßnahmen. Credit: Johannes Brunnbauer
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Versorgungssicherheit gewährleisten

Die Produktion von klimafreundlicherem Stahl ist in hohem Maße abhängig von der Ausschöpfung des Schrott-Potentials, wie ASCII-Direktor Peter Klimek erklärt: „Es hängt davon ab, wie viel Schrott am Markt verfügbar und ob die notwendige Infrastruktur für den Transport vorhanden ist.“ Länder wie Österreich mit einer großen Stahlproduktion (voestalpine) sind davon besonders betroffen: Denn in Übereinstimmung mit den EU-Klimazielen sollen bis 2050 EU-weit 80-95% der CO2-Emissionen eingespart werden.

Stahlschrott wird dadurch zu einer strategischen Ressource. „Das bedeutet, dass die Versorgungssicherheit problematisch sein kann. Das müssen wir strategisch begreifen“, plädiert der Wissenschafter. Denn: Die Umstellung auf Lichtbogenöfen findet quer durch Europa statt, und alle brauchen Stahlschrott zum Betrieb. Vom Zugang zu dieser Ressource wird abhängig sein, ob die Stahlproduktion in den Ländern zukunftsfähig bleibt. Klimek: „Es wird einfach nicht genug Stahlschrott geben, um die Stahlproduktion nur mit Recycling zu stemmen. Je besser der Zugang zu Schrott, desto eher wird uns die Dekarbonisierung gelingen.“

Damit eng verknüpft ist auch die Qualität des Abfalls: „Es braucht einen bestimmten Reinheitsgrad. Aus diesem Grund ist es wichtig zu wissen, woher dieser Schrott kommt, in welcher Qualität wurde er verbaut und im Nachgang zusammengepresst? Auf dieser Detailebene muss man sich das ansehen.“ Ein Beispiel: Wird ein Auto zusammengepresst, dann ist dieser Stahlschrott mit Kupfer aus den Kabeln verunreinigt. Um den Schrott weiterverarbeiten zu können, muss man die Zusammensetzung bereits bei der Produktion analysieren – und in welcher Reinheit wurden die Materialien verbaut?

Wiederverwertung im Bausektor: Langfristige Umstellung

Um die Kreislaufwirtschaft in Gang zu bringen und um dieses Potential auszuschöpfen, reicht das reine Abtragen des Stahls und das Sammeln des Abfalls nicht. Es braucht eine tiefgreifende Umstrukturierung des globalen und europäischen Schrotthandels. In den einzelnen Sektoren braucht es laut Klimek weiters ein Mitplanen der Wiederverwertung bereits in der Produktion und Entstehung: „In Wahrheit muss man den Kreislauf an jeder Stufe im Produktlebenszyklus mitdenken.“

Für die Baubranche heißt das: Kreislaufwirtschaft gehört schon in der Planung mitbedacht, also wie man wichtige Rohstoffe und Ressourcen wieder zurückgewinnen kann. Aktuell werden die Materialien fix verbaut, verlötet – sind also weitgehend verunreinigt und nur schwer zu trennen. Hinzu kommt: Gebäude sind für die langfristige Nutzung gebaut, der Lebenszyklus von Stahl in diesen Bauwerken kann auch schon bis zu 100 Jahre betragen. Hier wird also Stahl abgetragen, der vor vielen Jahrzehnten verbaut wurde.

Die weitere Herausforderung: China – der weltweit größte Stahlproduzent – ist bereits einen Schritt voraus: In den letzten Jahren hat sich deren Schrotthandel weitgehend vom Weltmarkt entkoppelt. „Zur gleichen Zeit setzen viele Länder in Europa derzeit auf Schrottexport und laufen dadurch Gefahr, sich von einem wertvollen Rohstoff für die eigene Industrie zu trennen“, erklärt Klimek. Diese Lieferketten werden sich verändern (müssen), um den Zugang zu diesem wertvollen Material zu behalten.

Stahl ist ein wichtiger Bau- und Konstruktionswertstoff. Die Verfügbarkeit von Stahlschrott wird darüber entscheiden, ob ein Produktionsstandort zukunftsfähig ist. Copyright: voestalpine AG, Quelle: voestalpine.com

„Ein neuer Industriezweig entsteht“

Die gute Nachricht: Die neue Lichtbogen-Technologie fördert einen neuen Industriezweig. „Es braucht ein neues Firmen-Ökosystem, das Hand in Hand mit der neuen Technologie agiert und den Kreislauf schließt“, erklärt Peter Klimek. Dadurch entsteht ein neuer Markt und neue Wachstumschancen für Unternehmen.

In den kommenden Jahren wird dieses zukünftige Ökosystem genauer analysiert. In einem gemeinsamen Projekt zwischen dem ASCII, dem Complexity Science Hub und der voestalpine sollen die Marktdynamik, die Schrottverfügbarkeit und mögliche logistische Herausforderungen untersucht werden.

Klimek: „Wir schätzen, dass wir für diese Aufgaben alleine in Österreich 30 neue Unternehmen mit bis zu 2.000 zusätzlichen Beschäftigten brauchen werden. Hier entsteht ein Markt mit einem Gesamtumsatz von etwa 1 Mrd. US-Dollar – alleine in Österreich. Das wäre eine Verdoppelung des heutigen Status. Da diese Umstellung in ganz Europa passiert, kann man als Unternehmen – wenn man schnell agiert – aber auch europaweit strahlen.“

Die Vorstudie „Circular transformation of the European steel industry renders scrap metal a strategic resource“ von P. Klimek, M. Hess, M. Gerschberger, S. Thurner steht hier zum Download bereit.

Anja Herberth
Author: Anja Herberth

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