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Technologischer Fortschritt ausgebremst: Fehlender Nachwuchs bedroht Wirtschaftswachstum und Energiewende

Das Wirtschaftswachstum und die Energiewende stoßen weltweit an Personalgrenzen. Das Grundproblem: Technologie kommt im Schulsystem – abseits der speziellen höheren Schulen – nicht vor. Auch Frauen sollten verstärkt angesprochen werden.

Gut qualifiziertes Personal in den Zukunftsberufen ist wichtig für die Innovationskraft von Unternehmen und Volkswirtschaften. Sie bieten gute Karriere- und beste Gehaltschancen. Während unser Leben von immer mehr technologischen Innovationen geprägt ist, mangelt es jedoch an Nachwuchs in technologischen Berufen.

In einer Gartner-Umfrage unter weltweit führenden Tech-Unternehmen aus dem Jahr 2021 gaben 64% der Befragten an, dass der Mangel an qualifizierten Fachkräften das größte Hindernis für die Einführung neuer Technologien darstellt. Laut Korn Ferry könnten bis 2030 mehr als 85 Mio Stellen unbesetzt bleiben. Weltweit rechnet man durch den Fachkräftemangel in den Tech-Branchen mit 8,5 Billionen Entgang an Einnahmen.

Auf europäische Länder heruntergebrochen: Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) konnten 2022/23 etwa 82.000 Stellen in der Halbleiterindustrie in Deutschland nicht besetzt werden, Tendenz: Steigend. In Österreich fehlen laut einer Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts aktuell fast 14.000 Fachkräfte in der Branche Elektro- und Informationstechnik. Jede vierte Stelle kann nicht besetzt werden, Tendenz auch hier: Steigend. Bis 2030 rechnen die Branchenverbände mit bis zu 22.000 fehlenden Fachkräften.

Bis 2030 könnten weltweit mehr als 85 Mio Stellen unbesetzt bleiben. Weltweit rechnet man durch den Fachkräftemangel in den Tech-Branchen mit 8,5 Billionen Entgang an Einnahmen.

Wege aus der Misere: Junge Talente für Technik begeistern

Junge Talente abholen und für die Tech-Zukunftsbranchen begeistern: Das ist laut „MIT Technology Review“ einer der essentiellen Kriterien, um Menschen nachhaltig für Berufe in der Technologie zu gewinnen. Auch Teil des Berichts: Was in den Schulen gelehrt wird, hinkt manchmal 10 Jahre hinter dem aktuellen Stand der Technik hinterher.

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"Wir vergraulen AbsolventInnen und wundern uns, dass diese für Ingenieurwissenschaften nicht mehr ansprechbar sind": Kerstin Kotal (Credit: OVE/Miriam Mehlman) & Peter Reichel (Credit: OVE/Fürthner) vom Österr. Verband für Elektrotechnik

Peter Reichel, Generalsekretär des Österreichischen Verbands für Elektrotechnik (OVE), geht noch einen Schritt weiter: „Abseits der speziellen höheren Schulen kommt Technik einfach nicht vor. Dieses Fach wird nicht gelehrt und das weitere Problem ist, dass Mathematik zu einem Angstfach wurde und der Unterreicht einen sehr theoretischen Ansatz verfolgt.“ Die Folge: „Wir vergraulen Absolventinnen und Absolventen und wundern uns, dass diese für Ingenieurswissenschaften nicht mehr ansprechbar sind.“

Der OVE begegnet den Herausforderungen mit der Initiative „LET’S TECH“. Events bringen den Schülerinnen und Schülern spielerisch Technik nahe. Beim aktuellen „LET’S TECH Day“ stehen Robotik, Automatisierung und künstliche Intelligenz im Fokus. Die Schülerinnen und Schüler können selbst ausprobieren und haben die Möglichkeit, mit Role Models – jungen Technikerinnen und Technikern – zu sprechen. Wie ist es, als Frau in der Technik zu arbeiten? Ein Teil der Energiewende zu sein, die gesellschaftlichen Herausforderungen anzupacken? ExpertInnen und Partnerunternehmen wie ABB, Siemens und Schneider Electric stehen Rede und Antwort zu den Jobs mit Zukunft. Ziel: Technologien begreif- und erlebbar machen.

In der Branchenkampagne „Join the Future“ können Jugendliche herausfinden, welches Gebiet der Elektrotechnik am besten zu ihnen passt. Auch hier wird mit Role Models gearbeitet, mit denen sich Schülerinnen und Schülern identifizieren können. In einem Videowettbewerb beschäftigen sie sich damit, wie ElektrotechnikerInnen die Zukunft gestalten.

Die Initiative des Verbands umfasst aber nicht nur die Schülerinnen und Schüler. Reichel: „In der gesamten Ausbildung für Lehrerinnen und Lehrern kommt kein einziges Mal das Wort Technik vor. Selbst in der Physik, ein Fach das noch den meisten Bezug zur Technik hätte, gibt es diesen Bezug zur Praxis nicht. Es gibt auch keine Ausbildung für Techniklehrerinnen und -lehrer. HTL-LehrerInnen haben üblicherweise ein (Elektro)Technik-Studium erweitert um ein paar Semester Pädagogik.“

Technik kommt abseits spezieller höherer Ausbildungen in den Schulen nicht vor. Initiativen wie der Österr. Verband der Elektrotechnik veranstaltet Events, in denen SchülerInnen Technik an- und begreifen können. (Fotocredit: OVE/josephkrpelan.com)
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Lithium: Das Gold der E-Branche

Das globale Energiesystem befindet sich inmitten einer Transformation hin zu sauberer Energie. Dies erfordert den Einsatz neuer Technologien, die auf Rohstoffen wie Kupfer, Lithium, Nickel, Kobalt und Seltenen Erden basieren. Die EU sicherte sich nun in einem historischen Pakt die Lithium-Vorkommen Serbiens.

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„Wir haben daher gemeinsam mit der APG für Lehrpersonal an HTLs ein Weiterbildungsseminar entwickelt, um sie in den technologischen Weiterentwicklungen etwa in der Energie- und Netztechnik mitzunehmen. Diese Seminare werden offiziell als Lehrerinnen- und Lehrer-Fortbildung anerkannt und finden seit mittlerweile zwölf Jahren 1x jährlich statt,“ ergänzt Kerstin Kotal, Leiterin der Nachwuchsinitiativen im OVE.

Frauen und Mädchen: Ein noch brachliegender Schatz

Ein weiterer wichtiger Punkt ist für Kerstin Kotal die Mitnahme von Frauen und Mädchen. Denn Jobs in der Technik sind immer noch vor allem männlich besetzt – trotz der vielen jahrzehntelangen Initiativen, die sich um eine Gleichberechtigung der Geschlechter bemühen. Oder um die berühmten Worte von Peter Drucker („Culture eats strategy for breakfast“) zu nutzen: Sozialisation isst HR-Strategien zum Frühstück.

Sozialisation isst HR-Strategien zum Frühstück.

Zumindest noch, denn langsam bewegt sich doch etwas. Der Frauenanteil im Studium Elektrotechnik an der Wiener Technischen Universität lag im Wintersemester 2022 bei 14,6%, bei den Abschlüssen ist dieser Wert (noch) geringer und liegt bei 10,6%. Der Anteil der Mädchen im Lehrberuf Elektrotechnik steigt seit ein paar Jahren langsam auf 7,2% (Stand 2023), im Jahr 2014 lag er noch bei 3,6%. Dennoch ist der Lehrberuf Elektrotechnik bei Burschen der beliebteste, bei Mädchen schafft er es nicht einmal unter die Top 10.

In Zeiten der hohen Inflation und Lebenskosten könnte ein wichtiges Argument das Gehalt sein: Frauen sind noch immer in typischen Frauenberufen unterwegs, die meist schlecht bezahlt sind. Zukunfts-Jobs in der Technik sind besser bezahlt: So liegt das Einstiegsgehalt nach einer elektrotechnischen Lehre im Schnitt 40% über dem Anfangsgehalt einer Friseurin oder Kosmetikerin (Mehr Infos unter: gehaltskompass.at)

Die OVE-Initiative „Girls! Tech Up“ sucht bis Oktober wieder das „Girls! Tech Up“ Role Model 2024. Mehr Infos unter: www.letstech.at

Quellen:

MIT Technology review Insights: „New approach to tech talent shortage”

Full Report: technologyreview.com

Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft: Fachkräftemangel in der Halbleiterindustrie

Mehr zum OVE finden Sie hier: ove.at

Mehr zur Initiative LET’S TECH: letstech.at

Anja Herberth
Author: Anja Herberth

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