Unser Wohnen ändert sich nur langsam – warum eigentlich?

Smarte Gebäudetechnologien gibt es bereits seit über zwei Jahrzehnten – der Bereich beginnt erst jetzt, sich langsam zu entwickeln. Wir gehen der Ursache dafür auf den Grund: Warum dauern Entwicklungen am Gebäudesektor so lange?

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Im Interview: 
Ludwig Krenn, Architekt aus Tulln/Niederösterreich. Unter dem Motto „Wohnspiration“ verkauft er keine Planungen, sondern „ein Wohnerlebnis“. Er ist davon überzeugt: Genau das fehlt den Menschen. 

Mehr Informationen unter: www.ludwigkrenn.at 

Unser Wohnen ändert sich nur langsam - warum eigentlich?

Die ersten smarten Gebäude sind bereits über 20 Jahre alt. Uns stehen alle Möglichkeiten offen, wir nutzen sie aber anscheinend nicht. Woran liegt das?

Wir können unser Zuhause heute so individuell einrichten wie noch nie zuvor. Genauso wie das Haus vernetzt sein kann, können auch viele Dinge vernetzt sein. Allerdings gibt es eine große geistige Hürde: Wir sind dazu noch nicht in der Lage. Die Angst und Neugier vor Neuem ist da, die Möglichkeiten ändern sich viel schneller als wir.

Ein Beispiel: Der Umstieg vom Lehmhaus zum Ziegelbau dauerte Generationen, etwa 30 Jahre. Jetzt wohnen wir in Häusern aus Beton, gedämmt mit Styroporplatten – das hat sich innerhalb von nur 5 Jahren verändert. Die Individualität ist aber nur mäßig stärker geworden, so sind die Grundrisse der Häuser oft noch so wie nach altem Denken strukturiert. Es gibt immer noch die gleichen Kästen, einzig die Fronten verändern sich.

Siehst du eine Dynamik in der Art, wie wir leben, auf uns zukommen?

Früher hat man ein Mal im Leben geheiratet, heute sind wir oft nur mehr mit Lebensabschnittspartnern liiert. Auch die Häuser und Wohnungen müssten diese Entwicklung mitmachen. Was mache ich beispielsweise mit einem 180m2 großen Haus, nachdem die Kinder draußen sind. In diesen Entscheidungen ist noch sehr viel altes Gedankengut enthalten. Daraus entsteht aber auch die grundsätzliche Herausforderung: Wir müssen uns mit Wohnen und Leben intensiver auseinandersetzen.

Was bedeutet diese langsame gesellschaftliche Entwicklung für neue Technologien, für Smart Buildings?

Das hat natürlich Auswirkungen auch auf den Bereich Smart Home: Konsumentinnen und Konsumenten haben kein Bild davon, was ein smartes, intelligentes Heim bedeutet. Sie können sich nur das ansehen, was man ihnen zeigt.

Ein Vergleich: Heute ist die Schuhschachtelarchitektur – also weiße blockartige Wohnungseinheiten – sehr modern. Diese Architektur hat es schon Ende des vorvorigen Jahrhunderts, also gegen 1890, in Prag gegeben. Auch vor 100 Jahren gab es neben der Neugier auch die Urangst auf Neues. So schnell sind wir also nicht.

In der Photovoltaik ist diese langsame Entwicklung auch ersichtlich: Für diese Technologie hat Albert Einstein den Nobelpreis bekommen. (Anmerkung: Albert Einstein erhielt 1921 den Nobelpreis für die Entdeckung der photovoltaischen Gesetze.) Etwa 70 Jahre später hat man erst begonnen, Photovoltaik-Zellen zu produzieren. Aber es zeigt sich: Früher haben solche Zyklen lange gebraucht, es wird jetzt schneller.

Was ist der Hintergrund dieser langsamen Entwicklung?

Ein Beispiel: Unser Handy kann mindestens 100 verschiedene Aktivitäten, aber geistig erfassen wir nur drei davon. Wenn wir jemanden erklären, das Handy hat 10 tolle Features, Spezialsensoren, und der Akku hält jetzt Woche lang – das ist eine tolle Sache. In Wirklichkeit interessiert das nur wenige. Sich damit zu befassen ist sehr aufwendig, die Technik wird immer komplexer. Das gleiche Thema haben wir auch beim Haus.

Umgelegt auf unsere neuen Technologien ist die Beschäftigung damit ein großer Aufwand. Die Unternehmen müssen sehr viel vordenken, da steckt schon sehr viel Arbeit darin.

Bedeutet: Es braucht seitens der Unternehmen eine sehr akribische Vorbereitung.

Gebäude zu entwickeln ist eine heikle und verantwortungsvolle Angelegenheit, auch auf Grund der ständigen Erneuerung. Ich muss zum Beispiel auf die Lebenszyklen der Bewohner eingehen: Ein junger Mensch hat andere Bedürfnisse als ein älterer Mensch, aber auch junge Menschen werden älter. Ich bin der Meinung, ein Haus muss von sich aus die Intelligenz haben und nicht immer auf mich warten. Es muss fertig abgeschlossen und funktionstüchtig sein, und auf Grund der Geschwindigkeit der Entwicklung sollten Kundinnen und Kunden in der Lage sein, es weiter zu entwickeln – wenn sie es möchten.

Die Herausforderung ist, etwas zu machen, das den Bewohnern Ruhe gibt. Und wenn jemand auf einen neuen Zug aufspringen will, dann muss er die Möglichkeit haben. Ich sehe Smart Home als eine Bildung, wo man auf die unterschiedlichsten Züge aufspringen kann.

Anja Herberth
Author: Anja Herberth

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