Deutsche Wirtschaftsweisen im Zwist: Welche Antriebstechnologien werden sich durchsetzen?

E-Mobilität, Wasserstoff, E-Fuels: Welcher Antrieb macht wo Sinn – und warum? Worauf sollten sich KonsumentInnen einstellen? Wissenschaftsjournalist Jens Schröder über sinnvolle Anwendungen und die Interessen von Lobbying-Gruppen.

Dieser Tage gab es einen Zwist innerhalb der deutschen Wirtschaftsweisen: Sie hatten ein Gutachten erstellt, wie der Güterverkehr klimaneutral werden kann. Vier der fünf Wirtschaftsweisen fordern in diesem Gutachten die Politik zum Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur für Elektro-LKW auf. Lediglich Veronika Grimm, die fünfte Expertin in diesem unabhängigen Gremium, scherte aus: Sie hält den Fokus auf E-LKWs für falsch, weitere Technologien wie die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle sollen ebenfalls weiter gefördert werden.

Was ist nun sinnvoll: Der Fokus auf E-Mobilität im Güterverkehr, oder eine offenere Vorgehensweise? Und nach welchen Kriterien sollte man sich Antriebstechnologien genauer ansehen?

Das haben wir den Wissenschaftsjournalisten Jens Schröder gefragt, der seit 2018 mit den beiden Physikern Johannes Kückens und Michael Büker den Podcast „Sag mal, du als Physiker“ betreibt. 

Werden wir hinkünftig unsere PKWs mit Wasserstoff betanken? Wie technologieoffen sollten wir sein - und bei welchen Anwendungen sehr fokussiert? Fotocredit: Shutterstock
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SBC: Die Wirtschaftsweisen streiten über die reine Elektrifizierung – oder über Technologieoffenheit im LKW-Güterverkehr. Wer hat Ihrer Meinung nach Recht? Die ausscherende Veronika Grimm oder die vier anderen Wirtschaftsweisen?
 
Schröder: Ich bin ja schon froh, dass die Wirtschaftsweisen diese Debatte nur über LKW und nicht auch noch über PKW führen. Denn da ist diese Story mit der Technologieoffenheit wirklich richtig fehl am Platz, weil die Überlegenheit von E-Fahrzeugen beim Energieverbrauch eindeutig ist. Bei schweren LKWs gibt es noch Diskussionen, weil die geringe Energiedichte von Batterien sich da nachteilig auswirkt. Aber selbst hier sind meines Erachtens die Weichen eigentlich schon gestellt.
 
Große Hersteller wie MAN haben längst entschieden, keine H2-Antriebe mehr zu entwickeln. Anders sieht es bei Flugzeugen aus – hier wird es nach jetzigem Stand keine batterieelektrische Alternative geben.
 
SBC: Und beim LKW ist die Sache wirklich schon entschieden? Frau Grimm sieht das anders.
 
Schröder: Beim LKW-Verkehr ist das nicht so glasklar wie bei PKW. Aber die Richtung ist eindeutig. Und sollen wir als Land jetzt wirklich entscheiden, parallel zur E-Ladeinfrastruktur auch noch ein Milliarden Euro teures H2-Tankstellennetz entlang von Autobahnen aus Steuergeld zu fördern? Ich finde das nicht sinnvoll. Und würde mich da der Mehrheit des Rates anschließen.
 
SBC: Warum sind manche Antriebe für gewisse Bewegungsformen nicht machbar oder nicht sinnvoll? Warum ist etwa der Einsatz von E-Fuels für einen PKW nicht sinnvoll?
 
Schröder: Theoretisch ist natürlich vieles machbar, aber nicht immer sinnvoll. Die drei Alternativen zum fossilen Verbrenner sind die Batterieelektrik, die Brennstoffzelle – also der Wassserstoffantrieb – und die E-Fuels. In einer Brennstoffzelle wird nebenbei bemerkt durch Wasserstoff Strom erzeugt – und dann auch nur ein normaler E-Motor angetrieben.
 
Vielen Menschen ist nicht klar, dass alle drei dieser Antriebs-Alternativen im Grunde mit elektrischem Strom fahren. Denn um Wasserstoff herzustellen braucht es Strom, für grünen und CO2-neutralen Wasserstoff braucht es sogar Öko-Strom. Strom ist auch die Voraussetzung für klimaneutrale E-Fuels, denn die werden ja auf Wasserstoff-Basis hergestellt, der unter hohem Stromverbrauch elektrolysiert wird.
 

>Strom ist die gemeinsame Währung, auf der alle weiteren Antriebe basieren.<<

Für die Umwandlung Strom in Wasserstoff und dann nochmal von Wasserstoff in E-Fuel sind Prozesse mit sehr teils hohen Energieverlusten notwendig, was den Wirkungsgrad der eingesetzten Technologien stark vermindert. Wenn ein Batteriefahrzeug 100 km fährt, so kann mit derselben Strommenge ein KFZ mit einer Brennstoffzelle 35 Kilometer fahren, ein E-Fuel Fahrzeug sogar nur 20 Kilometer, weil bei den Zwischenschritten und im Verbrenner so viel Energie als Ab-Wärme einfach verloren gegangen ist. Das ist eine Verschwendung, der physikalische Grundsätze zu Grunde liegen, die auch IngenieurInnen und ErfinderInnen nicht wegerfinden können.
 
SBC: Können Sie bei diesen Prozessen ins Detail gehen? Wie kommen diese Zahlen zustande?
 
Schröder: Bei den E-Fuels muss zuerst der Wasserstoff hergestellt werden, auf dem E-Fuels dann basieren. Dafür müsste energieaufwendig CO2 aus der Luft gezogen werden. Es ist ein noch ungelöstes Problem, wie man das effizient machen soll, vor allem wenn man irgendwann keine Quellen wie Kohlekraftwerke etc. mehr hat, an deren Schornsteinen man CO2 in hoher Konzentration vorfindet. Diese sollen ja nach und nach abgeschalten werden.
 
Bei den E-Fuels wird auch oft als Stärke oft angegeben, dass wir die normalen Verbrenner weiternutzen könnten. Das ist einerseits natürlich eine Stärke, aber zugleich ist es auch ein Problem: Denn ein Verbrennermotor verschwendet aus Prinzip. So ein Verbrennungsmotor ist eine Wärmekraftmaschine. Wärme ist integraler Bestandteil des Prozesses, hier wird chemische Energie in Bewegung umwandelt.
 
Ein großer Teil der Wärme verpufft dabei, und die Natur der Wärme ist es, dass man sie nie vollständig wieder zurückverwandeln kann. Mindestens 60 % der Energie wird in einem Verbrennermotor verschwendet, indem die Wärme an die Umgebung abgegeben wird. Unter absoluten Idealbedingungen erreicht ein hervorragender Diesel-PKW 45% Wirkungsgrad. Nach der Verschwendung von Strom in der Herstellung der E-Fuels verpuffen im Betrieb also mindestens 55% der Energie. Hier reden wir von Laborbedingungen, in der Realität verpuffen etwa 70 – 75% der Energie.
 
Da hätte besser gleich mit einem Batterieauto gefahren werden können. Die Nutzung von Wasserstoff oder eFuels für PKWs macht nicht nur energetisch keinen Sinn, sie ist auch eine Frage der Verfügbarkeit: Der für die Produktion von diesen alternativen PKW-Treibstoffen aufgewendete Strom fehlt an einer anderen Stelle. Denn grüner Strom wird noch auf Jahrzehnte ein Mangel-Gut bleiben.

Jens Schröder, Fotocredit: Xiomara Bender


Jens Schröder ist Wissenschaftsjournalist, Medienmanager und Podcastproduzent. Der ehemalige Chefredakteur von GEO (2019 bis 2023) ist seit 2018 einer der Autoren und Hosts des Physik-Podcasts „Sag mal, du als Physiker“. Mehr zu ihm unter licennium.de.

SBC: Das klingt einleuchtend. Wir erleben in der Realität aber einen Spannungsbogen zwischen der Fokussierung auf eine Technologie und Technologieoffenheit.

Schröder: Und damit kommen wir zum Endkonsumenten. Ich glaube nämlich, dass das, was jetzt diskutiert wird, einer Strategie folgt. Es heisst „Lass uns doch in der Technologie offen sein, ist doch für unsere Wirtschaft super. Die können total gut Verbrenner-Autos bauen, dann dürfen die das weiterbauen, weil wir können die ja ab 2035 klimaneutral mit E-Fuels betanken.“

Ja, klingt gut. Und theoretisch geht das auch. Aber praktisch wird es eben nicht funktionieren: E-Fuels wird es schlicht nicht in der notwendigen Menge geben. Es gibt eine Auswertung vom Potsdam Institut dazu. Die Frage ist: Wie viele E-Fuels gibt es weltweit im Jahr 2035? Die Antwort ist ernüchternd. Wenn ALLE heute angekündigten eFuel-Produktionsstätten weltweit tatsächlich gebaut werden, dann deckt deren gesamte, weltweite Produktion gerade mal 10 Prozent der wirklich relevanten Bedarfe wie Flugzeuge oder Schiffe oder Industrie – und zwar NUR in Deutschland. Nochmal: Die weltweite Produktionsmenge, und zwar eine optimistisch geschätzte, deckt 2035 nur 10 Prozent der nicht elektrifizierbaren Anwendungsfälle von E-Fuels IN DEUTSCHLAND. Und da haben wir noch immer kein Auto betankt.

Jetzt könnte man sagen: Okay, vielleicht gibt es einen krassen Boom und E-Fuels Produktionen wachsen irgendwann ähnlich extrem wie heute PV-Anlagen. Unter dieser extremen Annahme würde die weltweite Produktionsmenge immer noch nur 50% des unverzichtbaren Bedarfs in Deutschland ausmachen. Ohne PKW also. Mehr braucht man dazu eigentlich gar nicht zu sagen.

Und was machen dann die Kunden, die im Vertrauen auf eine E-Fuel Flut immer weiter Verbrenner gekauft haben? Sie werden zwangsläufig weiter Diesel oder Benzin tanken. Denn keine Regierung würde es wagen, im guten Glauben gekaufte PKW stillzulegen, das wäre ja wie Enteignung. Ich glaube daher, dass diese Diskussion von Menschen getrieben wird, die noch ein paar Jahre länger an fossilen Treibstoffen verdienen wollen.

>> Die weltweite Produktionsmenge, und zwar eine optimistisch geschätzte, deckt 2035 nur 10 Prozent der nicht elektrifizierbaren Anwendungsfälle von E-Fuels IN DEUTSCHLAND. Und da haben wir noch immer kein Auto betankt.<<

SBC: Sie haben angesprochen, dass E-Fuels für Anwendungen verwendet werden sollten, wo Batterien keine Alternative darstellen. Wo wäre das zum Beispiel der Fall – und warum ist das so?

Schröder: Wir brauchen E-Fuels, diese sind sehr wichtig. Aber wir brauchen sie da, wo Batterien keine Chance haben. Batterien haben eine vergleichsweise geringe Energiedichte. Energiedichte bedeutet: Wieviel Energie kann ein Energieträger speichern, zum Beispiel pro Kilogramm. Die fossilen Brennstoffe oder eben auch E-Fuels haben eine sehr hohe Energiedichte, ungefähr 50 Mal höher als die modernen Lithiumbatterien.

Es gibt Anwendungen, wo wir eine hohe Energiedichte brauchen. Bei den großen Passagierflugzeugen etwa müsste eine Batterie wegen der geringen Energiedichte schwerer als das Flugzeug selbst sein, um genug Power zu bieten. Unrealistisch. Da müsste sich schon sehr, sehr viel weiterentwickeln, um rein elektrische Großflugzeuge möglich zu machen.

E-Kerosine sind daher wichtig für Flugzeuge oder auch für Verbrennungsprozesse in der Industrie, wo es eine extreme Hitze braucht, die man mit Energie aus Akkus nicht so einfach hinbekommt. Beim PKW braucht man diese Energiedichte nicht, und hier hat sich in der Weiterentwicklung der Batterien auch sehr viel getan. In den letzten 4 – 5 Jahren hat sich deren Energiedichte verdoppelt, und sie wird sich wahrscheinlich mit den Feststoff-Batterien noch weiter verdoppeln. Hier gibt es noch ein großes Verbesserungspotential.

Beim LKW war es bis vor kurzem so, dass man bei den großen 40-Tonnen-LKWs überlegt hat, sie eventuell mit Wasserstoff anzutreiben. Inzwischen ist es so, dass viele Experten sagen: Das machen wir auch besser elektrisch. Vor allem werden E-Fuels einfach Mangelware sein, und auch den Wasserstoff brauchen wir für andere Anwendungen. Jeder Liter E-Fuel, der in einen Ford Escort oder VW Touran getankt wird, fehlt viel dringender an einer anderen Stelle – weil er dort eben nicht so einfach ersetzt werden kann.

Viele E-Fuels Fans sagen: Wir stellen E-Fuels einfach in Ländern mit Unmengen an erneuerbaren Strom her – also in der Wüste mit sehr viel Sonne oder an den windigen Küsten von Chile. Das wäre in Ordnung in einer Welt, in der grüner Strom im Überfluss vorhanden ist. Aber auch Chile muss eine Wirtschaft von ent-fossilisieren. Und der Ökostrom der dort in E-Fuels für Europa gesteckt wird, der fehlt eben anderswo im eigenen Land. Abgesehen davon, dass wir E-Fuels ja auch noch weite Strecken übers Meer transportieren müssten.

SBC: Das ist dann auch nicht mehr ganz so grün und nachhaltig. 

Schröder: Das kann man so sagen. Und der Ökostrom fehlt dann eben in diesen Regionen. Es ist nicht egal, was ich mit diesem grünen Strom mache. Wissen Sie, die E-Fuels Fans haben das wirklich schlau hinbekommen, dass sie ihre Forderungen mit dem Begriff „Technologieoffenheit“ verbunden haben. Das klingt für alle so positiv, kann man doch nichts dagegen haben, Aber wenn man es zu Ende denkt zeigt sich: Auch eine Nicht-Festlegung ist ab irgendeinem Punkt schädlich.

Ich finde, dass Bürgerinnen und Bürger einfordern dürfen, dass in der Politik Entscheidungen getroffen werden. Und das heißt eben manchmal: Für eine und gegen eine andere Sache entscheiden, wenn eine Priorisierung sinnvoll ist. Manchmal eben auch gegen die Interessen einzelner Gruppen. Und das fehlt mir in dieser Diskussion oft.

Auch in der Diskussion rund um den Wasserstoff-Antrieb für LKWs. Dazu müsste man ein Wasserstoff-Tankstellennetz ausbauen. Das würde Milliarden Euro kosten und wäre nur mit Subventionen möglich. Und die Frage ist: Macht das wirklich Sinn? Denn es ist ja im Endeffekt Steuergeld.

SBC: Hier gibt es also handfeste Interessen, und es ist schwierig für EndkonsumentInnen, in dieser Fülle an Veränderungen die Zusammenhänge zu verstehen. Der Strom kam aus der Steckdose, Diesel und Benzin aus dem Zapfhahn an der Tankstelle.

Schröder: Das war alles importiert. Jetzt wird ja auch importiert, und auch E-Fuels müssten wir – wenn wir sie hochskalieren – importieren. Das Hauptargument für oder gegen eine Antriebsform ist grundsätzlich die Effizienz. E-Fuels sind um den Faktor 5 weniger effizient als ein Elektroantrieb.

SBC: Und was ist mit den HVO, den biologischen Kraftstoffen? Wäre das eine Option?

Schröder: Die biologischen Kraftstoffe sind ja nochmal eine andere Baustelle. Wir haben die ja heute schon als Beimischungen, und jetzt gibt es auch vermehrt Kraftstoffe, die zu 100% aus Pflanzenölen hergestellt werden. Beispielsweise aus Mais, Raps oder Altfett. Sie sind seit kurzem auch in Deutschland zugelassen.

Für deren Freigabe haben viele Menschen gekämpft, weil diese Rohstoffe ja nachwachsen. Und ich glaube auch, dass die Freigabe von HVO in Ordnung ist. Ich denke aber auch, so viele Fritten können wir als Gesellschaft nicht essen, dass da auch nur ansatzweise relevante Mengen zustande kommen, die mit Altfett hergestellt werden,

Bei importierten Pflanzenölen haben wir aber das Problem mit dem Thema Palmöl. Und wenn wir selbst verstärkt in die Produktion von Mais oder Raps als Energiepflanze gehen, dann wäre das sehr ineffizient. Auf demselben Hektar Raps- oder Mais würde Photovoltaik um etwa 30 Mal mehr Energieertrag bringen als diese Energiepflanzen. Es würde natürlich vom Standort und der Ausrichtung abhängen, aber die Ausbeute würde sich im Vergleich und ohne Förderung nicht einmal im Ansatz rechnen.

Sicher, im Sinne einer gewissen Selbstversorgungsquote finde ich einen Anteil an Bio-Kraftstoffen im Mix eine gute Überlegung. Aber die Verkehrspolitik der Zukunft sollten wir darauf bestimmt nicht aufbauen.

Vielen Dank für das Interview!

licennium.de/

Hier geht’s zur Analyse des Potsdame Institute for Climate Impact Researchs zu E-Fuels

Anja Herberth
Author: Anja Herberth

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