Bauen ohne Bauland: Wohnraum schaffen ohne weitere Bodenversiegelung

Boden bzw. Bauland wird immer rarer. Das ist ein wachsendes Problem insbesondere in dicht besiedelten Gebieten. Die Lösung: Bauen ohne neues Bauland.

Boden bzw. Bauland ist eine unverzichtbare Ressource – die jedoch immer weniger wird. Bodenknappheit ist ein wachsendes Problem in vielen Regionen der Welt, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten. Menschen ziehen verstärkt in Städte aufgrund mangelnder Perspektiven auf dem Land. Mittlerweile gibt es 33 Megacities weltweit, in denen mehr als 10 Millionen Menschen leben – die meisten von ihnen in Asien.

Die steigende Nachfrage nach Wohnraum und die begrenzte Verfügbarkeit von Bauland führen zu erheblichen Herausforderungen bei der Stadtentwicklung und Wohnbauplanung in diesen Regionen. Wir haben uns Ansätze angesehen, um Wohnraum ohne zusätzliches Bauland zu schaffen: Das Aufstocken auf bereits bestehende Gebäude, das Verdichten und das Umwidmen leerer Gebäude.

Warum wir uns mit dieser Thematik auseinandersetzen:

  • Das Thema Bodenknappheit reiht sich ein in mehrere Gründe, warum die Lebenserhaltungskosten steigen: Die Inflation und die Teuerung ziehen nicht spurlos an uns vorbei, und die Knappheit der Ressource Bauland/Boden verteuert das Wohnen noch zusätzlich.
  • Weiters hat der hohe Flächenverbrauch auch ökologische Auswirkungen: Durch die fortschreitende Versiegelung werden Natur und der Lebensraum vieler Tiere immer weiter reduziert.
  • Auch im Hinblick auf die immer häufiger stattfindenden Extremwetter ist eine Boden-Versiegelung in Regionen smart zu planen. Versiegelte Flächen sind bei Überschwemmungen/Starkregen nicht in der Lage, Wasser aufzunehmen.
  • Durch Aufstockungen bereits existierender Gebäude, Nachverdichtung und Umwidmung ist das Schaffen neuen Wohnraums schnell und effektiv möglich. Dies könnte den hohen Druck am Mietwohnungsmarkt zumindest teilweise reduzieren.
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Boden: Eine knappe Ressource

Viele Städte und Regionen wachsen – und damit auch der Bedarf an Wohnraum. Gleichzeitig geht auf Grund der gestiegenen Kreditzinsen und generell hohen Baukosten der Neubau massiv zurück. Das bringt durch die hohe Nachfrage auch den Mietwohnungsmarkt unter Druck. Gleichzeitig ist in vielen Städten und Gemeinden die Verfügbarkeit von Bauland stark eingeschränkt. Dies führt ebenfalls zu steigenden Grundstückspreisen und macht den Wohnungsbau und damit auch das Wohnen – gleichzeitig mit allen anderen Faktoren – zunehmend kostspielig.

Die Förderung von Biodiversität und die Erhaltung von natürlichen Lebensräumen sind weiters wichtige Aspekte einer nachhaltigen Stadtentwicklung: Der Verlust von naturnahen Flächen hat gravierende ökologische Auswirkungen. So hat der Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrsflächen in den letzten Jahrzehnten zugenommen, was zu einer erheblichen Reduzierung der CO₂-Bindungskapazität und zur Zerstörung von Lebensräumen für Flora und Fauna führt. Naturnahe Böden, die reich an Mikroorganismen und Bodentieren sind, spielen eine entscheidende Rolle bei der Bindung von CO₂. Ihre Umwandlung in versiegelte Flächen führt zu einem erheblichen Verlust dieser Kapazität und trägt zur Erhöhung der CO₂-Emissionen bei. Ebenso ist die Bodenversiegelung im Hinblick auf die immer häufiger stattfindenden Intensivwetterereignissen in Regionen gut zu planen: Ein versiegelter Boden nimmt kein Wasser auf. Noch existierende Grünflächen in Städten und Regionen zu schützen ist letztlich auch aus einem anderen Grund essentiell: Deren Erhalt trägt auch zur Verbesserung unser Lebensqualität bei.

Daran müssen wir in Europa noch arbeiten: Denn die Durchschnittswerte des Flächenverbrauchs beispielsweise in Deutschland zeigen, dass täglich große Mengen an Land für Siedlungs- und Verkehrsflächen genutzt werden. In den 1990er Jahren lag der tägliche Flächenverbrauch bei etwa 120 Hektar. Ein Wert, der bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar bzw. bis 2030 auf 20 Hektar reduziert werden sollte. Dieser hohe Verbrauch ist unter anderem auf den Bau neuer Wohn- und Gewerbegebiete sowie Verkehrsflächen zurückzuführen.

Wohnraum ohne neues Bauland: Wie geht das?

1. Nachverdichtung und Aufstockung

Eine der effektivsten Methoden zur Schaffung von neuem Wohnraum ohne zusätzlichen Flächenverbrauch ist die Nachverdichtung bereits bestehender Strukturen. Statt neu zu bauen werden durch Aufstockung bestehender Gebäude zusätzliche Wohneinheiten geschaffen. Diese Methode nutzt ungenutzte Potenziale in bereits bebauten Gebieten und vermeidet die Bodenversiegelung von neuen Flächen. Alleine in Deutschland könnten durch die Aufstockung von Wohngebäuden der 1950er- bis 1990er-Jahre bis zu 1,38 Millionen Wohneinheiten entstehen.

2. Umnutzung von bestehenden Gebäuden

Viele Büro- und Verwaltungsgebäude stehen leer oder sind nur teilweise genutzt: Covid und die Digitalisierung haben unsere Arbeitswelten komplett verändert. Durch die Umnutzung dieser Gebäude kann Wohnraum geschaffen werden, ohne dass neue Flächen versiegelt werden müssen. In Deutschland könnten auf diese Weise etwa 360.000 Wohneinheiten entstehen.

Neben dem Nutzen leerer Gebäude könnten durch die Aufstockung von Büro- und Verwaltungsgebäuden zusätzlich weitere 572.000 Wohneinheiten geschaffen werden. Solche Umnutzungen erfordern jedoch oft umfangreiche Umbauten und Anpassungen der bestehenden Infrastruktur, um die neuen Wohnräume den heutigen Standards anzupassen.

Das "3BOX"-Projekt in Paris ist ein gutes Beispiel für das Nutzen ungenutzter Dachflächen. Fotocredits: Studio Malka/Paris.
Bei diesem Projekt wurde das bestehende Gebäude mit Wohnmodulen erweitert. Fotocredits: Studio Malka/Paris.
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3. Potenzial ungenutzter Dachflächen

Durch Dachflächenscans können ungenutzte Dachflächen identifiziert und für den Wohnungsbau genutzt werden. Dies bietet eine gute Möglichkeit, zusätzlichen Wohnraum in bereits bebauten Gebieten zu schaffen. Ein Beispiel hierfür ist das Verlagsviertel in Darmstadt, wo durch die Indizierung und Nutzung von Dachflächen neuer Wohnraum geschaffen wurde.

Ein weiteres Beispiel ist das „3BOX“-Projekt in Paris, bei dem bestehende Gebäude durch die Hinzufügung von Wohnmodulen auf den Dächern erweitert wurden. Solche innovativen Ansätze zeigen, wie durch kreative Nutzung bestehender Strukturen zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden kann. Die Nutzung von Dachflächen erfordert jedoch eine sorgfältige Planung und statische Überprüfung, um die Sicherheit und Stabilität der Gebäude zu gewährleisten.

4. Nutzung von Parkhäusern und Erhalt von Grünflächen

Auch Parkhäuser bieten Potenzial für die Schaffung von Wohnraum oder sozialer Infrastruktur. Ein Beispiel: In den deutschen Innenstädten könnten bis zu 20.000 Wohneinheiten auf Parkhäusern entstehen. Diese Flächen sind oft zentral gelegen und gut angebunden, was sie zu idealen Standorten für neuen Wohnraum macht.

Die Umnutzung von Parkhäusern bringt jedoch Herausforderungen mit sich, insbesondere in Bezug auf die Umgestaltung der bestehenden Struktur und der Anpassung an Wohnzwecke. Trotzdem bietet diese Strategie eine gute Möglichkeit, innerstädtischen Raum optimal zu nutzen und gleichzeitig die Flächenversiegelung zu minimieren.

Eine weitere Möglichkeit: Das Aufstocken von Einzelhandelsflächen, hier am Beispiel von Aldi. Fotocredit: ALDI SÜD

5. Umnutzung von Einzelhandelsflächen

Ein weiteres Potenzial bietet die Umnutzung von Flächen, die derzeit für eingeschossigen Einzelhandel, Discounter und Märkte genutzt werden. Durch die Errichtung von Wohngebäuden über diesen Einrichtungen können Verkaufsflächen erhalten und gleichzeitig zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden. Diese Strategie könnte etwa 365.000 Wohneinheiten in Deutschland hervorbringen.

Ein Beispiel dafür ist ALDI SÜD: Seit knapp zehn Jahren baut das Unternehmen Wohnungen über seinen Filialen, bis Ende dieses Jahres werden es insgesamt 550 sein. Durch bereits begonnene Projektentwicklungen entstehen in den kommenden Jahren über 2.000 weitere Wohneinheiten an ALDI SÜD Standorten.

Solche Projekte sind bereits vielfach vorhanden und erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen den Betreibern der Einzelhandelsflächen und den Bauträgern. So muss sichergestellt werden, dass die kommerziellen Aktivitäten nicht beeinträchtigt und gleichzeitig hochwertiger Wohnraum geschaffen wird. Die Integration von Wohn- und Handelsflächen kann zudem zur Belebung von Stadtvierteln beitragen und die urbane Vielfalt fördern.

Bauen ohne Bauland ist möglich

Durch die Nachverdichtung, Aufstockung, Umnutzung und effiziente Nutzung von Dachflächen und Parkhäusern kann neuer Wohnraum geschaffen werden, ohne zusätzlichen Flächenverbrauch zu verursachen. Die Entwicklung und Förderung dieser neuen Form von Wohnbauprojekten ist wichtig, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden: Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und ökologische Verantwortung spielen eine immer größere Rolle und müssen im Zentrum aller Bau- und Stadtentwicklungsprojekte stehen.

Rares und teures Bauland erfordert aber grundsätzlich neue Lösungsansätze. So sind Aufstockungen, Nachverdichtungen sowie die Umwidmung leerer Gebäude schnelle und effektive Lösungen für aktuell dringend benötigen Wohnraum: Die Kosten für Wohnen und Leben steigen, der Druck am Mietwohnungsmarkt steigt. Und dieser wird nur dann nachlassen, wenn es mehr Wohnungen am Markt gibt.

Vielen Dank an Prof. Dr. Karsten Tichelmann von der TU Darmstadt für die Unterstützung bei der Recherche!

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