Das Bergbau-Unternehmen Rio Tinto erhielt seitens Serbien die Lizenz zum Abbau von Lithium – einem wichtigen Material für die Energiewende. Gleichzeitig sicherte sich die EU in einem „historischen Pakt“ diese Lithium-Vorkommen. Wir erklären die Hintergründe.
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Mit der Wiederwahl von Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin wurde eines klar: Die EU wird am Green Deal festhalten. Denn die notwendigen Stimmen erhielt von der Leyen von den Grünen, die ihre Unterstützung von einem Festhalten an eben diesem abhängig machten. Bedeutet: Am Kurs, die Treibhausgas-Emissionen bis 2040 um mindestens 90 Prozent zu senken, wird festgehalten.
Aber nicht nur Europa, grundlegend befindet sich das globale Energiesystem inmitten einer Transformation hin zu sauberer Energie. Dies erfordert den Einsatz neuer Technologien, die auf Rohstoffen wie Kupfer, Lithium, Nickel, Kobalt und Seltenen Erden basieren. Dafür dringend notwendig ist das Sicherstellen der Versorgung mit diesen essentiellen Materialien. Der Deal mit Serbien ist nun ein essentieller Schritt Europas in diese Richtung. Der Widerstand ist groß: Denn der Abbau dieses Leichtmetalls ist mit negativen Auswirkungen für die Umwelt, Landwirtschaft und für die Wasserreservoirs verbunden.
Warum wir uns damit auseinandersetzen:
- Automobilhersteller benötigen für die Wende vom Verbrenner hin zum E-Auto immer mehr Lithium. Das Memorandum zur Förderung des begehrten Leichtmetalls ist ein wichtiger Schritt, um die Abhängigkeit der europäischen Unternehmen von China bei diesem wertvollen Material zu reduzieren. Die serbische Mine könnte 9 Zehntel des aktuellen europäischen Bedarfs decken.
- Das Abbau-Projekt im Jadar-Tal ist mehrere Milliarden schwer: Im Westen Serbiens gelegen, liegt dort der größte Lithium-Schatz Europas. Um den Abbau zu ermöglichen, hob die serbische Führung ein Verbot des Lithium-Abbaus auf, nachdem ein Gericht dieses als verfassungswidrig erklärt hatte. Nach Massen-Protesten gegen die Mine war es 2022 verhängt worden und entzog dem Abbau-Projekt die Grundlage.
- Die erneute Abbau-Erlaubnis und das Abkommen mit der EU wurden von schweren Protesten begleitet: Neben Korruption und der Frage, wer letztendlich von den Milliarden-Einnahmen profitieren wird, werden katastrophale Folgen für die Umwelt befürchtet.
Energiewende braucht Rohstoffe
Für den Aus- und Aufbau von Windparks, Solaranlagen, Speichern und intelligenten Netzen braucht Europa verschiedenste Metalle. Ein E-Auto benötigt sechsmal mehr Mineralien als ein herkömmliches Auto, eine Onshore-Windkraftanlage neunmal mehr Mineralien als ein Gaskraftwerk. Zu diesen kritischen Rohstoffen gehören Seltene Erden, Germanium, Platin, Indium, Kobalt – und Lithium. Es gibt zwar weltweit genug Seltene Erden und Metalle, aber sie sind ungleich verteilt. Der internationale Handel mit diesen Rohstoffen ist unverzichtbar, um die Nachfrage der Rohstoffe zu decken, die im Inland nicht verfügbar sind. Lithium ist das leichteste Metall und ein wichtiger Ladungsträger in Batterien und Akkus für Smartphones und E-Autos. Steigt der Anteil an den erneuerbaren Energien, steigt auch der Bedarf an diesen Mineralien. Der Energiesektor wird dadurch weltweit ein immer wichtigerer Faktor im internationalen Rohstoffhandel.
Die Herausforderung: Industrien benötigen den gesicherten Zugang zu diesen essentiellen Rohstoffen – trotz der weltweiten Zunahme von Handelsbarrieren und protektionistischen Maßnahmen. Die Energie- und Versorgungssicherheit von Ländern ist untrennbar damit verbunden. Laut Sustainable Development Scenario (SDS) der Internationalen Energieagentur (IEA) wird die Nachfrage nach Mineralien für die Verwendung in Elektrofahrzeugen und Batteriespeichern bis 2040 um mindestens das Dreißigfache zunehmen. Das schnellste Wachstum verzeichnet hier Lithium, dessen Nachfrage laut diesem Szenario bis 2040 um mehr als das Vierzigfache steigt, gefolgt von Graphit, Kobalt und Nickel (etwa das 20- bis 25-Fache). Der Ausbau der Stromnetze bedeutet, dass sich die Kupfernachfrage für Stromleitungen im gleichen Zeitraum mehr als verdoppeln wird.
Mit der Abbau-Erlaubnis an Rio Tinto für das serbische Lithium-Vorkommen scheint dies der EU zumindest für diesen wichtigen Rohstoff gelungen zu sein. Laut IEA ist die Produktion von Lithiumchemikalien stark auf einige wenige Regionen konzentriert: 60 % der weltweiten Produktion entfallen auf China, bei Lithiumhydroxid sind es sogar über 80%. Durch die serbische Mine könnten daher auch viele Abhängigkeiten von anderen Ländern reduziert werden.
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Green Deal vs. Umweltzerstörung
Das silberweiße Leichtmetall kommt meist nur in sehr niedrigen Konzentrationen in der Natur vor. Je nachdem, wie hoch die Umwelt-Auflagen an das abbauende Unternehmen sind, verteuert sich der Abbau – und der Rohstoff wird teurer. Rohstoffe haben immer größere Auswirkungen auf die Kostenstrukturen der Produkte: Bei Lithium-Ionen-Batterien etwa haben technologische Lernprozesse und Einsparungen durch Skaleneffekte die Gesamtkosten in den letzten zehn Jahren um 90% gesenkt. Dies bedeutet jedoch auch, dass die Rohstoffkosten jetzt eine größere Rolle spielen und z.B. etwa 50-70 % der gesamten Batteriekosten ausmachen.
Berechnungen der IEA zufolge führt eine Verdoppelung der Lithium- oder Nickelpreise zu einem Anstieg der Batteriekosten um 6 %. Würden sich die Lithium- und Nickelpreise gleichzeitig verdoppeln, würde dies alle erwarteten Stückkostensenkungen im Zusammenhang mit einer Verdoppelung der Batterieproduktionskapazität ausgleichen.
Auf der anderen Seite sind Umwelt-Auflagen unumgänglich: Lithium wird mit verheerenden Folgen für Wasser und Natur aus dem Boden herausgeschwemmt. Danach wird das Wasser verdunstet, wodurch schädliche Dämpfe freigesetzt werden. Das Jadal-Tal gilt als besonders fruchtbar, über 15.000 landwirtschaftliche Betriebe vor Ort könnten von dieser Mine betroffen sein. Die Befürchtung: Der Abbau könnte Wasser und Boden kontaminieren und die Region unfruchtbar machen.
Laut Umweltaktivisten gibt es bereits heute in Serbien auf 40% des Territoriums Probleme mit der Wasserversorgung. Mit der Mine wird nun eine weitere Verschlechterung der Situation befürchtet. Weiters soll der Bergbau-Konzern laut Medienberichten Druck auf die Anwohner ausgeübt und mit Enteignung gedroht haben, damit sie ihre Grundstücke verkaufen. In den vergangenen 15 Jahren hat der Konzern bereits über 200 Millionen US-Dollar in Explorationen und Land investiert.
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