Menschen sehen sich heute parallel mit einer Vielzahl an Krisen und Veränderungen konfrontiert: Die Arbeitswelt und das wirtschaftliche Umfeld verändern sich, sind mit hoher Volatilität und Instabilität verbunden. Die Klimakrise weckt besonders bei jungen Menschen Ängste um ihre Zukunft und belastet sie bis hin zur Depression. Die Zukunft wirkt ungewiss und ist mit Ängsten verbunden.
Mental- und Business-Coach Robert Unger im Gespräch über Veränderungen – und wie wir mit Ihnen umgehen können.
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SBC: Wir leben in einer Zeit, in der Veränderung und Instabilität an der Tagesordnung sind. Der Druck und die Anforderungen steigen, von uns wird sehr viel Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen und Weiterentwicklung gefordert. Was macht das mit uns?
Robert Unger: Veränderungen bringen wir entweder selbst in Gang oder es gibt externe Ereignisse, die wir uns so nicht ausgesucht haben. In unserem Gehirn spielen sich in diesen beiden Situationen sehr ähnliche Prozesse ab: Wir bewerten die Ereignisse und sehen uns an, ob wir die Ressourcen mitbringen, diese Veränderungen oder Herausforderungen zu bewältigen – oder nicht. In diesem Fall lösen Veränderungen Stress aus.
Dazu kommt, dass wir grundsätzlich mit einem Negativity Bias ausgerüstet sind. Studien haben belegt, dass Menschen sich bis zu 60.000 Gedanken am Tag machen. Die meisten davon passieren unbewusst, 72% dieser Gedanken sind neutral. Dazu gehören auch kleinste Entscheidungen, ob ich etwa Zucker und Milch in den Kaffee haben möchte. Ein Viertel dieser Gedanken sind negativ, und nur 3% sind positiv. Diese negative Herangehensweise hat unseren Vorfahren das Überleben gesichert, da sie Situationen nach Gefahren hin analysiert haben. Negative Bilder und Emotionen sind aus diesem Grund auch einfacher abzuspeichern als positive.
Damit spielt auch die Politik, insbesondere die Opposition: Sie zeichnet negative Bilder und löst dadurch Angst aus. Mit Angst kann man Menschen lenken. Sie wollen überleben, das ist ein Grundinstinkt. Und wählen die Partei, die sie ihrer Meinung nach am besten vor Gefahren schützen wird. Der aktuelle Claim der ÖVP „Glaub an Österreich“ ist der Versuch, ins Positive zu drehen: Wir sind nicht so schlecht, wie alle sagen.
SBC: Veränderungen in der Arbeitswelt stoßen oft auf Ablehnung. Warum ist das so?
Robert Unger: Oft wissen wir, was besser für uns ist, verharren aber dennoch in alten, gewohnten Mustern. Es ist für unser Gehirn schlichtweg einfacher, also energiesparender, nach bereits bekannten Strategien zu arbeiten. Auch diese Regulierung unseres Energiehaushalts ist eine Schutzfunktion aus einer Zeit, als wir noch auf die Jagd gingen.
Dazu kommt, dass wir sehr stark mit Law and Order-Methoden agieren: Wenn du das nicht machst, dann gibt es Konsequenzen. Es wird mit der Peitsche gearbeitet, und nicht mit der Karotte – also einer positiven Motivation. Druck hat selten noch funktioniert, denn überall wo Druck erzeugt wird, entsteht Gegendruck.
SBC: Was heißt das für Veränderungsprozesse?
Robert Unger: Wenn sich das Top Management dazu entschieden hat, eine Veränderung zu etablieren, dann sollte man damit rechnen, dass auf Grund dieser Negativity Bias ein Teil der Belegschaft den Veränderungen negativ eingestellt sein wird. Und darauf sollte ich alle Führungsebenen, die mit den MitarbeiterInnen tagtäglich zu tun haben, vorbereiten: Dass Hindernisse und Zweifel menschlich und ein Teil des Change Managements sind.
Und man darf auch nicht vergessen: Auch Führungskräfte sind Menschen. Glauben sie daran, diesen Veränderungen und dem Change Management gewachsen zu sein, gehen sie anders mit diesen Situationen um. Sie müssen Tag für Tag für die Veränderung stehen, kommunizieren was sie bewirken soll: Dem Wandel also einen Sinn geben. Genau hier sollten Unternehmen ansetzen und die Führungsebenen unterstützen.
SBC: Als Führungskraft heißt es also, Perspektive und Orientierung zu geben.
Robert Unger: Die Vision ist das Ziel, die Strategie der Weg dorthin. Wir Menschen brauchen ein „Warum“, ein Ziel vor Augen. Ganz wichtig: Es sollte ein positives Hin-zu-Ziel sein, und kein Weg-von-Ziel. Da wir in Bildern und Emotionen abspeichern, sollte dieses Ziel lebhaft vorstellbar und hinterlegt sein mit Bildern und Visionen.
Ist die Vision nachvollziehbar, fragen sich MitarbeiterInnen im nächsten Schritt: Wie kann ich dieses Ziel erreichen? Was bringe ich mit? Und welche Skills brauche ich eventuell noch dafür? Dafür braucht es eine Strategie.
Für die Umsetzung von Veränderungen braucht es die eigenen Stärken und Fähigkeiten – und das Vertrauen darauf. Das gilt sowohl für Führungskräfte, als auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
SBC: Welchen Herausforderungen begegnen Sie in der Praxis?
Robert Unger: Veränderungen zu managen ist für Führungskräfte nicht so einfach, da unser Alltag bereits sehr vielschichtig, dynamisch und kurzlebig ist. Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben oft das Thema, dass auch die Führungskräfte bis hin zum Top-Management sehr stark im operativen Geschäft involviert sind. Sie arbeiten mit und pflegen das, was schon da ist. Wenn man so stark im Operativen verankert ist, fällt es oft schwer, die Ebenen darüber zu betrachten: Was sind meine Ziele, und wie sieht meine Strategie aus, diese zu erreichen? Und wo komme ich an, wenn ich so weitermache wie bisher?
Wenn diese Orientierung fehlt, hat das Konsequenzen. Die Generation Z (Anmerkung: Zwischen 1995 und 2010 geboren) kommt jetzt zum Beispiel langsam in ein Alter, in dem sie Führungskräfte werden könnten. Untersuchungen zeigen, dass sie keine klassischen Karrierepfade anstreben und keine Verantwortung übernehmen wollen, auch weil sie oft gar nicht wissen, wohin ihr Arbeitgeber strebt. Daher können sie auch den Weg nicht mitgestalten.
SBC: Was raten Sie Menschen, die sich beruflich verändern oder weiterentwickeln müssen? Die Veränderung also von externen Umständen erzwungen wird, etwa weil sich die Art und Weise, wie die Arbeit erledigt wird, am Markt nachhaltig verändert?
Robert Unger: Nehmen Sie die notwendigen Veränderungen nicht persönlich. Die aktuellen Veränderungen, die durch Digitalisierung und technologische Weiterentwicklung angestoßen werden, betreffen uns alle – auch Ihre Vorgesetzten. Versuchen Sie, das Positive in den Entwicklungen zu sehen: Überlegen Sie, warum diese Veränderungen Sinn machen. Die Frage ist doch auch immer: Will ich mich selbst entscheiden, oder will ich andere diese Entscheidung treffen lassen? Die Welt verändert sich – und wenn ich mich nicht proaktiv verändere, dann werde ich verändert.
So unangenehm die Situation auch ist: Nehmen Sie die Herausforderung an, helfen und motivieren Sie sich in Teams gegenseitig, um diese Situation zu meistern. Selbstzweifel sind normal, führen Sie sich aber immer vor Augen, dass auch viele andere Menschen diese Herausforderungen schon geschafft haben.
Auch die Führungsebenen sind hier gefordert, zu unterstützen. Es muss eine unmissverständliche Erwartungshaltung kommuniziert werden, das braucht es zur Orientierung – aber auch Unterstützung in dieser Veränderung. Viele MitarbeiterInnen sind schlicht überfordert mit der Situation, Veränderungen sind aus den vorher genannten Gründen oft sehr schwer. Wird der Druck zu groß, dann reagiert unser Reptilienhirn mit drei Zuständen: Kämpfen, Flüchten oder Totstellen. Und dann werden Veränderungen sehr schwierig umsetzbar.
Zu Robert Unger: Der 50jährige gebürtige Niederösterreicher ist zertifizierter Mentalcoach und systemisch-potenzial-orientierter Business-Coach. Davor war er mehr als 20 Jahre als Projektmanager und Führungskraft im IT-Bereich tätig. Seit 2022 ist der Ausdauersportler auch als externer Berater und Coach für den Spitzensport aktiv. Mehr unter https://smartconsulting73.com